Olympia im Visier: Park Jin-Yong (vorne) und Cho Jung Myung am Start Foto: Jost

Es ist eine Mischung aus sportlicher Entwicklungshilfe, harter Arbeit und Völkerverständigung: Der deutsche Trainer Steffen Sartor will Südkoreas Rodler an die Weltspitze heranführen. Kein einfacher Job – nicht nur wegen der fehlenden Vorkenntnisse.

Königssee - Schnurstraks gehen die beiden Männer in ihren weiß-grauen Anzügen zu den Schlitten. Ihre schmalen Augen verraten ihre asiatische Herkunft. Doch neben der südkoreanischen Fahne auf ihrem Doppelsitzer steht in schwarzer Schrift „Lothar und Franz“ – es sind die Rufnamen von Park Jin-Yong und Cho Jung Myung.

Verpasst hat ihnen diese Namen Steffen Sartor. „Können Sie sich die koreanischen Namen merken?“, fragt der Rodeltrainer. Und gibt gleich selbst die Antwort: „Sehen Sie, ich auch nicht. Deshalb habe ich die Jungs und Mädchen angeschaut und überlegt, mit wem sie Ähnlichkeit haben.“ Herausgekommen sind Lothar sowie Franz oder Heike für Sung Eun Ryung und Guido für Kim Dong Hyeon.

Südkoreaner feiern gute Olympia-Premiere.

Seit September 2013 betreut Steffen Sartor gemeinsam mit Robert Fegg, beides ehemalige Weltklasse-Rodler, die koreanischen Athleten. Bei den Olympischen Spielen in Sotschi belegten diese Platz zwölf im Staffelrennen. Für die Premiere war das ganz gut, beim zweiten Anlauf 2018 in Pjöngjang muss es jedoch deutlich besser werden. Das ist Sartors Auftrag. Immerhin hat der Cheftrainer nun Zeit, mit seinen Rodlern zu üben. „Nach Sotschi sind wir praktisch ohne Vorbereitung gefahren“, sagt Sartor. Und Robert Fegg ergänzt: „Normalerweise benötigt ein Athlet von den Anfängen bis in die Weltspitze zwölf Jahre. Wir haben gerade mal vier.“

Im Winter 2013 betreute der Thüringer Sartor die Schweizer Rodler, als er vom koreanischen Präsident Jae Ho Chang angesprochen wurde. Daraufhin erstellte der 43-Jährige, der im Doppel als Steffen Skel mit seinem Partner Steffen Wöller sechs WM-Medaillen gewonnen hat, einen Fünfjahresplan. Im Sommer folgte eine Einladung zu einem Workshop nach Seoul. Dann ging’s schnell. „Was willst du? Was brauchst du?“, fragte Präsident Chang, Inhaber der Duty-free-Shops auf sämtlichen koreanischen Flughäfen. Am nächsten Tag lag der unterschriftsreife Vertrag auf dem Tisch.

An Weltcup-Rennen nehmen die Athleten nur sporadisch teil

Seitdem ist der koreanische Rodel-Tross gemeinsam unterwegs. An Weltcup-Rennen nehmen sie nur sporadisch teil. Innsbruck-Igls und Königssee gehören quasi zum Pflichtprogramm. „Da fahren weniger, deshalb können wir besser punkten“, erklärt der Trainer. Sein Doppel Lothar und Franz, respektive Park Jin-Yong und Cho Jung Myung, haben genügend Zähler, dürfen immer im Weltcup ran. Ansonsten befahren die Koreaner die Eiskanäle in der Woche nach den Weltcups. „Dann haben wir Referenzzeiten“, sagt Sartor. Die Homebase aber ist in Altenberg. In der Gemeinde in Sachsen gibt es nicht nur einen anspruchsvollen Eiskanal, sondern dort betreibt Sartors Frau Diana, eine ehemalige Skeletoni, eine Pension. Ein Glücksfaktor ist, dass Diana Sartor gut kochen kann. „Wenn wir auf Lehrgänge zu anderen Bahnen fahren, gibt sie jedem eine große Box mit“, erzählt Sartor. Für die Rodler ist das ein Stück Heimat.

Neun Monate sind sie von zu Hause weg. Heimweh haben sie nicht. Zumindest lassen sie es sich nicht anmerken. Aber das mit dem Essen, das war anfangs schon ein Problem. „Ich habe ja nur leichte Zwerge“, sagt der Trainer. Und anfangs wurden die immer leichter, obwohl sie kräftig gegessen haben. Doch aufgrund ihres anderen Enzymhaushalts haben sie die Bestandteile des Reis, wie er hier angeboten wird, nicht richtig verwerten können. Die Lösung ist ein Online-Shop in Frankfurt für koreanische Nahrung. Ins Trainingslager am Königssee wurden Pakete mit insgesamt 70 Kilogramm Nahrungsmittel geliefert. Damit nehmen die Sportler auch wieder zu. Schließlich ist Masse im Rodeln wichtig.

Heim-Vorteil soll bei Olympia helfen

Das Gewicht, mehr Erfahrung und eine ausgefeiltere Fahrtechnik schlagen sich in besseren Zeiten nieder. „Am Anfang hatten wir zweieinhalb Sekunden Rückstand, jetzt sind es nur noch anderthalb“, sagt Sartor stolz. Trotzdem ist es noch ein weiter Weg.

Bei Olympia in zwei Jahren soll auch der Heimvorteil die Rodler tragen. Vor wenigen Tagen wurde der Eiskanal in Pjöngjang fertig. Nach der WM am Königssee, die an diesem Freitag beginnt, fliegen die Koreaner nach Hause. „Es ist keine technische Knallerbahn, sondern eine für gute Gleiter“, sagt Sartor. Heißt: Üben hilft. Das will das südkoreanische Team nun tun, um bei den Spielen zu zeigen, dass es zur Weltspitze gehört.