Auch Frisch Auf Göppingen spielt eine schwache Saison, doch der Absturz des amtierenden DHB-Pokal-Siegers Rhein-Neckar Löwen in der Bundesliga ist vor dem direkten Duell am Ostersonntag vor über 10 000 Zuschauern noch dramatischer. Wo liegen die Gründe?
Am Dienstag haben die Rhein-Neckar Löwen gezeigt, dass ein anderer Wettbewerb immer auch eine Chance ist. Eine Chance, Probleme und Schwierigkeiten aus dem Ligaalltag abzuschütteln. Wie auf Knopfdruck. Das gelang der Mannschaft von Trainer Sebastian Hinze (44) im Play-off-Hinspiel der European League: Bei RK Nexe Nasice gab’s ein 24:19 (13:11). Mit dem bestandenen Stresstest in Kroatien haben sich die Badener eine hervorragende Ausgangsbasis für das Rückspiel um den Viertelfinaleinzug am 2. April (20.45 Uhr/SNP Dome Heidelberg) geschaffen.
Acht von neun Spielen verloren
Das alles macht die aktuelle Horrorserie im Ligaalltag allerdings nicht besser. Acht der vergangenen neun Bundesligaspiele gingen verloren. Es droht ein neuer Negativrekord. 2022 beendeten die Mannheimer die Saison mit 30:38 Punkten auf Platz zehn, das bedeutete die schlechteste Spielzeit seit dem Wiederaufstieg 2004.
Vor dem baden-württembergischen Handball-Derby in der SAP-Arena am Ostersonntag (16.30 Uhr/10 000 von 13 200 Tickets sind weg) gegen Frisch Auf Göppingen haben die Löwen 20:30 Zähler auf ihrem Konto, damit stehen sie auf Platz 13. Legt man die Tabelle zugrunde, dann ist aktuell Frisch Auf Göppingen die Nummer eins im Land. Der Traditionsclub steht auf Platz zehn, der TVB Stuttgart ist 14., der HBW Balingen-Weilstetten Schlusslicht.
Wer ist die Nummer eins im Land?
Darauf angesprochen reagiert Markus Baur etwas verwundert: „Die Frage nach der Nummer eins im Land hatte ich bisher wirklich nicht auf dem Schirm. Wird man das am Ende, erreicht aber seine eigenen Ziele nicht, bringt einem das nicht viel“, sagt der Frisch-Auf-Trainer. Sein Team spielt alles andere als eine gute Saison, rangiert aber dennoch vor dem amtierenden DHB-Pokal-Sieger und Vorjahres-Fünften. Das zeigt, wie desaströs sich der bisherige Rundenverlauf für die Rhein-Neckar Löwen darstellt. Zwei Flüsse und ein wildes Tier? Die Löwen aus der Metropolregion Mannheim sind zu einem zahmen Kätzchen geworden, dem das Wasser bis zum Hals steht.
Große Verletzungsprobleme
Die Gründe sind vielschichtig. Sicher schlug das Verletzungspech heftig zu. Das kroatische Rückraumass Halil Jaganjac fehlt wegen diverser Verletzungen seit Monaten. Genauso Uwe Gensheimer, lange Zeit auch Patrick Groetzki. Unter dem Ausfall der routinierten Flügelzange litt das Tempospiel. Doch Nationalspieler Groetzki zeigt sich selbstkritisch: „Wir können nicht alles nur mit dem Verletzungspech erklären.“
Denn zur Wahrheit gehört ganz sicher, dass die Abgänge vor der laufenden Saison nicht gleichwertig ersetzt wurden: Lukas Nilsson (zu Aalborg Handbold), Albin Lagergren (SC Magdeburg) und Kristjan Horzen (VfL Gummersbach) trauern die Fans hinter. Ohne die fehlenden Führungsspieler verloren die Löwen oftmals nach dem gleichen Muster: Nach einer hohen Führung gerieten sie irgendwann in Rückstand, danach brachen alle Dämme, wie zum Beispiel bei den beiden Niederlagen gegen den ThSV Eisenach oder beim TVB Stuttgart. Die verpflichteten Neuzugänge waren dabei in kritischen Phasen, wenn es darum ging, sich gegen die drohende Pleite zu stemmen, fast keine Hilfe.
Misere trotz drei Top-Torhütern
Hätten die drei (!) starken Torhüter Mikael Appelgren, David Späth und Joel Birlehm mit ihren Paraden nicht schon so viele Punkte gerettet, längst wäre das Team mittendrin im Abstiegsstrudel. Was viel über die Qualität des restlichen Kaders aussagt, in dem Rückraumspieler Niclas Kirkelökke und Kreisläufer Jannik Kohlbacher als mit die besten Feldtorschützen der gesamten Liga noch positiv hervorzuheben sind. Nationalmannschafts-Spielmacher Juri Knorr zeigte zuletzt aufsteigende Tendenz – im Europapokal in Nasice überragte der 23-Jährige. Doch es fehlt an der nötigen Breite im Kader.
Deshalb ist Coach Sebastian Hinze in seiner zweiten Saison bei den Löwen auch nicht die Hauptzielscheibe der Kritik. Zwar hat er bisher kein Mittel gefunden, um die kollektiven Einbrüche seines Teams zu stoppen. Doch die personellen Fehlgriffe im Kader, die sich immer noch auswirken, passierten vor seinem Amtsantritt. Zur kommenden Saison erhöhen die Rückraumspieler Ivan Martinovic (MT Melsungen) und Sebastian Heymann (Frisch Auf Göppingen) die Qualität, genauso Linksaußen Tim Nothdurft (Bergischer HC). Dazu steigt Gensheimer als Sportchef ein. Sein Netzwerk, seine Strahlkraft, sein Charisma sollen helfen.
Fünfjahresplan in Gefahr
Doch Fragezeichen bleiben, ob das 2022 von Geschäftsführerin Jennifer Kettemann im Rahmen eines Fünfjahresplans ausgegebene Ziel erreicht wird: Bis 2027 soll wieder um Titel und Champions-League-Plätze gespielt werden. Zuletzt ruderte sie aber etwas zurück: „So ein Plan ist ja auch dafür da, dass man den noch einmal kritisch hinterfragt.“ Wie so vieles in diesen Tagen und Wochen beim amtierenden DHB-Pokal-Sieger und deutschen Meister von 2016 und 2017.
Spielplan Frisch Auf Göppingen
Bisherige Spiele
MT Melsungen – Frisch Auf Göppingen 29:19, Frisch Auf – Rhein-Neckar Löwen 27:27, ThSV Eisenach – Frisch Auf 27:24, Frisch Auf – VfL Gummersbach 32:29, HSG Wetzlar – Frisch Auf 29:24, Frisch Auf – HSV Hamburg 27:32, SC DHfK Leipzig – Frisch Auf 33:35, Frisch Auf – SC Magdeburg 26:27, TBV Lemgo Lippe – Frisch Auf 21:26, Bergischer HC – Frisch Auf 33:30, Frisch Auf – THW Kiel 27:34, TVB Stuttgart – Frisch Auf 31:29, Frisch Auf – TSV Hannover-Burgdorf 32:25, HC Erlangen – Frisch Auf 28:26, Frisch Auf – HBW Balingen-Weilstetten 32:28, Füchse Berlin – Frisch Auf 29:29, Frisch Auf – SG Flensburg-Handewitt 32:31, Frisch Auf – Bergischer HC 31:28, SC Magdeburg – Frisch Auf 31:27, Frisch Auf – TVB Stuttgart 25:25, HBW Balingen-Weilstetten – Frisch Auf 30:29, Frisch Auf – ThSV Eisenach 35:31, HSV Hamburg - Frisch Auf 33:31, Frisch Auf – TBV Lemgo Lippe 26:32, SG Flensburg-Handewitt - Frisch Auf 35:30, Frisch Auf – HC Erlangen 32:29.
Künftige Spiele
Rhein-Neckar Löwen – Frisch Auf (Ostersonntag, 31. März, 16.30 Uhr), Frisch Auf – Füchse Berlin (Donnerstag, 4. April, 19 Uhr), Frisch Auf – HSG Wetzlar (Donnerstag, 18. April, 19 Uhr), TSV Hannover-Burgdorf – Frisch Auf (Freitag, 26. April, 20 Uhr), Frisch Auf – SC DHfK Leipzig (Freitag, 3. Mai, 19 Uhr), THW Kiel – Frisch Auf (Montag, 20. Mai, 19 Uhr, Frisch Auf – MT Melsungen (Mittwoch, 29. Mai, 19 Uhr), VfL Gummersbach – Frisch Auf (Sonntag, 2. Juni, 16.30 Uhr). (jüf)