Im Perinatalzentrum des Rems-Murr-Klinikums ist alles vorbereitet, um Frühgeborene optimal zu betreuen. Foto: Rems-Murr-Klinik

Vom kommenden Jahr an muss in Krankenhäusern eine stattliche Mindestanzahl an Frühgeborenen behandelt werden, damit die Kliniken diese Leistung weiter anbieten dürfen. Nicht nur in den Rems-Murr-Kliniken sieht man das kritisch.

Eine deutschlandweite Neuregelung für Kliniken, die sich um Säuglinge mit weniger als 1250 Gramm Geburtsgewicht kümmern, stellt derzeit einige Krankenhäuser vor Herausforderungen. Von 2024 an müssen mindestens 25 solcher Frühchen jährlich in einer Klinik zur Welt kommen, damit diese ihre Versorgungsleistung weiter anbieten dürfen. Das Rems-Murr-Klinikum in Winnenden nimmt diese Hürde in diesem Jahr sicher, weshalb die Verantwortlichen optimistisch in die Zukunft blicken.

Zahl der Frühchen schwankt naturgemäß

Im vergangenen Jahr versorgte das Klinikum 27 Frühgeborene, und auch in diesem Jahr wird die neue Marke von 25 Frühchen erreicht werden. André Mertel, der Geschäftsführer der Rems-Murr-Kliniken, ist dennoch vorsichtig: „Dass diese Zahl auch bei uns von Jahr zu Jahr schwankt, ist jedoch ganz natürlich.“ Schließlich lasse sich die Zahl nicht planen. Zudem sei eine Frühgeburt kein wünschenswertes Ereignis.

André Mertel ist nicht alleine mit seiner Kritik an der heraufgestuften Mindestanzahl an sehr kleinen Frühgeborenen. Auch der Leiter der Winnender Kinderklinik, Chefarzt Ralf Rauch, steht der möglichen Schließung einiger Frühgeburtsstationen aus medizinischen Gründen kritisch gegenüber: „Frühchen mit einem Geburtsgewicht unter 1250 Gramm haben keine Zeit für lange Transporte, wenn lebensbedrohliche Komplikationen wie Hirnblutung oder Darmperforationen auftreten.“

Acht Kliniken in Baden-Württemberg gefährdet

In Baden-Württemberg drohen momentan acht Kliniken an der von 14 auf 25 angehobenen Mindestanzahl zu scheitern. Manne Lucha, der baden-württembergische Sozialminister, hat den betroffenen Einrichtungen dazu geraten, Anträge auf Ausnahmegenehmigungen zu stellen. Nur so könne eine flächendeckende Versorgung weiterhin gewährleistet werden. Diese ungewisse Situation ist für den FDP-Landtagsabgeordneten Jochen Haußmann aus Kernen auf lange Sicht jedoch nicht tragbar: „Es ist nicht zumutbar, dass Perinatalzentren und die dort Beschäftigten jedes Jahr zittern müssen, ob der Betrieb im nächsten Jahr weitergehen wird“, sagt er.

Das ist besonders dann der Fall, wenn ein Klinikum zusätzlich zur Standardbetreuung freiwillige Projekte ins Leben ruft. Die Winnender Kinderklinik hat erst kürzlich eine Erstversorgungseinheit eingerichtet, die es ermöglicht, Früh- und Neugeborene noch an der Nabelschnur medizinisch zu betreuen. Außerdem gibt es eine Muttermilchbank, die erst die dritte ihrer Art in ganz Baden-Württemberg ist.

Chefarzt Ralf Rauch betont, dass so eine intensivmedizinische Betreuung in Kombination mit einem professionellen Team für Frühgeborene überlebenswichtig sei. Und für Geschäftsführer André Mertel ist das Setzen einer Mindestmarke an Frühchen der völlig falsche Ansatz. In vielen medizinischen Bereichen würde das durchaus Sinn ergeben, in diesem Fall jedoch eher die falschen Anreize setzen: „In der Neonatologie wird damit eher derjenige belohnt, der Babys früher zur Welt kommen lässt, als es medizinisch sinnvoll ist.“

Auch wenn die Lage im Rems-Murr-Kreis bei Weitem nicht so bedenklich ist wie in anderen Teilen des Landes, wird das Thema die Kliniken wohl bis auf Weiteres regelmäßig beschäftigen. Von 21 Perinatalzentren in Baden-Württemberg drohte ursprünglich elf die Schließung.

Nun ist diese Zahl zwar auf acht Kliniken gesunken, die FDP um den Landtagsabgeordneten Jochen Haußmann sieht die Versorgung von Schwangeren aber dennoch gefährdet. Es genüge nicht, nur die Frühgeburtenzahlen zu berücksichtigen. Schließlich würden Schwangere durch entsprechende Vorsorgemaßnahmen erst gar keine Kinder mit einem Aufnahmegewicht unter 1250 Gramm auf die Welt bringen. Diese Versorgung könne mit weniger Kliniken nicht gewährleistet werden.