VfB-Trainer Bruno Labbadia. Foto: Pressefoto Baumann

Die beiden Halbzeiten beim 2:2 gegen Bayer Leverkusen waren bewegt, in der dritten Halbzeit war einer erregt – Bruno Labbadia. Der Trainer des VfB Stuttgart redete sich in Rage: „Das Fass ist voll.“

Stuttgart - In der Pressekonferenz nach der Partie hatten die beiden Trainer ihre Statements zum Spiel abgegeben – Sascha Lewandowski für Bayer Leverkusen, Bruno Labbadia für den VfB. Danach leitete VfB-Mediendirektor Max Jung den Frageteil ein: „Die erste Frage stelle ich: Bruno, wie hast du die Labbadia-raus-Rufe empfunden?“

Nach der Auswechslung von Raphael Holzhauser in der 77. Minute hatte ein kleiner Teil des Publikums aus Protest gegen den Wechsel Sprechchöre gegen den Trainer angestimmt. Andere Anhänger waren damit nicht einverstanden, sie äußerten ihrerseits Unmut gegen die Rufe. Beim Gang in die Kabine hatte ein weiterer Zuschauer nach dem Spiel Labbadia beschimpft. Beide Vorfälle hatten den Darmstädter tief getroffen.

Deshalb nahm der Coach den Ball, den ihm Max Jung zugespielt hatte, dankbar auf. Labbadia holte tief Luft, fletschte die Zähne und ließ seinem Frust freien Lauf. „Es ist eine gewisse Grenze erreicht, das Fass ist absolut voll“, wetterte er und hielt einen Diskurs über seine Zeit beim VfB: „Vor 22 Monaten sind wir hier angetreten, als die Mannschaft zwölf Punkte hatte. Damals hat keiner einen Pfifferling auf uns gegeben. Aber wir haben die Mannschaft in der Bundesliga gehalten und später in die Europa League geführt. Wir haben eine Etatsenkung von 20 Millionen Euro mitgemacht und mussten einen zweistelligen Millionenbetrag einnehmen. Ich kann gewisse Dinge nicht akzeptieren, wenn der Trainer wie der letzte Depp dargestellt wird, als hätte er gar keine Ahnung.“

Manche Kritik der vergangenen Wochen hat Labbadia sichtlich zugesetzt

Das saß. Doch Labbadia hatte noch lange nicht fertig. So manche Kritik der vergangenen Wochen hat ihm sichtlich zugesetzt. Weniger das immer lauter vernehmbare Murren der Fans, die ihm vorhielten, er verbaue Talenten wie Raphael Holzhauser den Weg nach oben, indem er sie nicht oder zu selten einsetze. Das hatte Labbadia mehr oder weniger geduldig hingenommen. Viel mehr ärgerte er sich über vereinzelne Presseberichte, in denen ihm zuletzt unter anderem unterstellt worden war, er habe Holzhauser vor der Saison bei einer Sitzung mit den Jugendleitern und -trainern des Vereins madig gemacht und nur Negatives über den Österreicher erzählt – und über weitere Meldungen, in denen diese Darstellung ungeprüft aufgegriffen worden war. „Die Zuschauer sind aufgewiegelt durch absolute Unwahrheiten“, sagte Labbadia. Genau das Gegenteil sei richtig: „Holzhauser wäre nicht mehr beim VfB, wenn ich nicht mein Veto eingelegt hätte, dass er ausgeliehen wird. Wir Trainer sind nicht die Mülleimer.“

Unterstützung fand Bruno Labbadia in Fredi Bobic. „Bruno war derjenige, der am deutlichsten gesagt hat: Ein Leihgeschäft machen wir nicht, wir kriegen Holzhauser hin“, sagte der Sportdirektor. Die Pfiffe der Fans waren auch Bobic übel aufgestoßen: „Ich bin auf der Bank gesessen und habe gedacht: Das kann nicht sein. Die Leute werden hier aufgewiegelt.“ Ohnehin habe Holzhauser schon in der Halbzeitpause signalisiert, dass er Oberschenkelprobleme habe. Das bestätigte der Mittelfeldspieler nach Spielschluss: „Außerdem war ich absolut platt. Die Rufe gegen den Trainer kann ich deshalb überhaupt nicht nachvollziehen.“

Labbadia war mit seinem Rundumschlag aber nicht zu Ende. Unter dem Eindruck der vergangenen Wochen sagte er. „Mich wundert es nicht, dass es hier alle paar Monate einen neuen Trainer gibt. Als normaler Bundesligatrainer muss man sich fragen: Gehe ich einen schweren Weg wie den beim VfB mit? Oder sagt man: Am Arsch geleckt?“

Fredi Bobic unterstützte Inhalt und Form der Tiraden seines Trainers. „Dafür habe ich absolut Verständnis, das ist das gute Recht des Trainers“, sagte er, „ein Mensch hat das Recht, sich Luft zu verschaffen. Wir wollen keine Schulterklopfer hier, wenn es nicht läuft. Wir können einiges verkraften, aber wir wollen Objektivität.“ Sagte es, drehte sich um und folgte Bruno Labbadia in die Katakomben der Mercedes-Benz-Arena.