Anwohner und interessierte Bürger hören Pfarrer Eberhard Schwarz (zweiter von rechts) auf seinem Rundgang durch das Hospitalviertel zu. Foto: Cedric Rehman

Pfarrer Eberhard Schwarz führt Anwohner durch das Hospitalviertel. Er zeigt ihnen, wie stark religiöse Einrichtungen das Quartier prägen und wie eng Glaubensrichtungen zusammenarbeiten.

S-Mitte - Pfarrer Eberhard Schwarz sieht die Dinge mit Humor. Er will Anwohnern auf einem Spaziergang zeigen, dass das Hospitalviertel das geistige Zentrum der Landeshauptstadt ist. Der Pfarrer macht dabei an der Gymnasiumstraße 33 Halt. Pfarrer Schwarz zeigt auf das Adressschild an der Tür. Nicht nur die Cocktailbar Jigger & Spoon hat hier ihr Quartier. Auch andere Firmennamen erinnern aus unerfindlichen Gründen an beliebte Spirituosen. „Geistig, geht eben auch anders im Hospitalviertel“, meint der Pfarrer.

Die Nachbarschaft von urbanem Leben und religiösen Einrichtungen scheint Schwarz nicht zu stören. Der Pfarrer der Hospitalkirche bezeichnet sich selbst als „City-Pfarrer“. Dass Sakrales sich in der Stadt den Raum mit Weltlichem teilt, erscheint ihm da wohl naheliegend.

Er erklärt ohnehin die geringe Auffälligkeit vieler religiöser Einrichtungen, in einem von verschiedenen Glaubensrichtungen geprägten Quartier zum besonderen Merkmal des Hospitalviertels. Mehrmals fragt er die Teilnehmer des Rundgangs: „Wo sehen Sie denn hier eine religiöse Einrichtung?“

Der Pfarrer zählt Einrichtungen auf

Er zählt dann zu Beginn seines Rundgangs am Brunnen vor der Hospitalkirche verschiedene Einrichtungen der evangelischen und der katholischen Kirche auf, die in Blickweite liegen, aber nicht als solche auf den ersten Blick erkennbar sind.

Das Café Kompass an der Hospitalstraße gegenüber der Kirche von Pfarrer Schwarz etwa wirkt dem Augenschein nach wie einer der Orte, an denen sich Gäste ein Stück Kuchen und eine Tasse Kaffee gönnen. Hier können die Besucher aber auch Rat in Lebensfragen einholen. Die Einrichtung gehört wie viele andere am Hospitalplatz zur Evangelischen Kirche.

Pfarrer Schwarz führt später auf dem Rundgang zum Jugendcafé SichtBar des Evangelischen Jugendwerks an der Fritz-Elsas-Straße geht es gleichfalls urban zu. Ein junger Mann mit Beaniemütze sitzt vor dem Lokal mit einem Glas Bier und dreht sich eine Zigarette. Pfarrer Schwarz führt seine Gäste durch das Lokal an einem Billardtisch und einer Bar vorbei. Durch einen Gang geht es zum Sakralraum. Die Gäste haben also die Wahl, ob sie bei einem Bier eine Runde Billard spielen wollen oder doch lieber die Ruhe beim Gebet suchen – so entspannt kann Glaube sein.

Muslime finden Platz zum Gebet

Der Pfarrer nennt sieben Sakralräume, die ihm am Hospitalplatz spontan einfallen. Sie sind katholisch oder evangelisch, gehören zu einer Freikirche oder der Jüdischen Gemeinde. Nur die Muslime seien noch nicht mit einem eigenen Gebetsraum vertreten, meint der Pfarrer. „Es ist aber bei uns üblich, dass wir Muslimen bei uns einen Platz anbieten, wenn sie beten wollen“, sagt Pfarrer Schwarz.

Mit „uns“ meint er das Netzwerk, das Konfessionen und Religionen rund um den Hospitalplatz verbindet. Es funktioniert nach dem Motto der Hilfe unter Nachbarn. So überlassen etwa die Siebenten-Tags-Adventisten ihren Gebetsraum an der Firnhaberstraße am Sonntag der evangelischen Freikirche City Chapel.

Joachim Hübscher von der Adventgemeinde empfängt Pfarrer Schwarz und die Teilnehmer des Rungangs an der Firnhaberstraße. Er berichtet den Anwohnern, nicht nur, dass John Harvey Kellog, der Erfinder der Cornflakes, seiner Religionsgemeinschaft angehört hat. Hübscher klärt auch darüber auf, warum die Gemeinde am Sonntag der City Chapel einen vakanten Gebetsraum zur Verfügung stellen kann. „Wir feiern den Sabbat am Samstag, genau wie es die benachbarte Jüdische Gemeinde tut“, sagt Hübscher.

Die Adventsgemeinde existiere seit dem 19. Jahrhundert in Stuttgart, erklärt Hübscher. Andere Religionsgemeinschaften wie etwa die Jüdische Gemeinde sind schon viel länger im Hospitalviertel. Nicht immer war das Verhältnis der Religionen im Quartier von Kooperation geprägt. Wo heute die Hospitalkirche steht, gab es einst ein Kloster der Dominikaner. Es wurde während der Reformation aufgelöst. Die Alte Synagoge an der Hospitalstraße fiel der Reichsprogromnacht am 9. November 1938 zum Opfer. Pfarrer Schwarz betont, dass das Sakrale im Hospitalviertel Tradition habe. Das heutige Miteinander bezeichnet er als modellhaft. „Ich glaube, dass wir ein gutes Beispiel geben, wie das Zusammenleben funktionieren kann“, meint der Pfarrer.