Bei Parkettdebüts sollten Anleger besonders genau hinschauen, mahnen Aktionärsschützer. Wie schwierig die ersten Jahre an der Börse sein können, zeigt auch die neue Ausgabe der Liste der größten Kapitalvernichter.
Frankfurt - Ausgerechnet ein Unternehmen aus der Gesundheitsbranche erweist sich in der Coronakrise als größter Kapitalvernichter unter den Aktiengesellschaften: Die Berliner Firma Epigenomics landete 2020 auf dem unrühmlichen Spitzenplatz des Negativ-Rankings, das die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) jetzt vorstellte. Epigenomics produziert Bluttests zur Krebserkennung. Laut dem jüngsten Geschäftsbericht gingen die Umsätze in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres zurück, weil viele Vorsorgeuntersuchungen wegen der Pandemie verschoben wurden. Der Aktienkurs der Firma sinkt allerdings schon seit Jahren.
Auch ein Profiteur der Coronakrise steht weit oben auf der Liste der „50 größten Kapitalvernichter“: das Online-Versandhaus Windeln.de. Obwohl die Aktie 2020 um 16 Prozent zulegte, landete das Unternehmen auf Platz vier des Negativ-Rankings. Das liegt daran, dass für die Erstellung der Liste auch die Kursentwicklung über fünf Jahre berücksichtigt wird. In diesem Zeitraum stürzte der Kurs des Online-Versandhändlers um 99 Prozent ab. Windeln.de ist erst seit Frühjahr 2015 an der Börse notiert.
Am Donnerstag ging der Funkturm-Hersteller Vantage Towers an die Börse
Das Beispiel zeige, dass Anleger gerade bei Börsenneulingen sehr genau hinschauen sollten, sagte die stellvertretende DSW-Hauptgeschäftsführerin Jella Benner-Heinacher. In diesem Jahr rechnet die DSW in Frankfurt mit bis zu zehn Börsengängen. In den Startlöchern stehen bereits der Industriedienstleister Friedrich Vorwerk, der Online-Modehändler About You, die Softwareschmiede Suse und der Online-Brillenhändler Mister Spex. Angesichts der guten Stimmung an den Märkten bietet sich für die bisherigen Eigentümer eine gute Gelegenheit, Anteile an die Börse zu bringen.
Wenn keine neuen Anteile ausgegeben würden, sollten Anleger aber vorsichtig sein, mahnte DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler: „Es ist schon ein Unterschied, ob die Einnahmen aus einem Börsengang für das Wachstum des Unternehmens verwendet werden oder ob ein Altaktionär Kasse macht.“ Ohnehin sollten Kleinanleger nicht gleich beim Parkettdebüt einsteigen: „In den ersten vier Wochen dürfen die den Börsengang begleitenden Banken noch gegensteuern, wenn der Kurs unter den Ausgabepreis fällt. Erst danach zeigt die Aktie ihr wahres Gesicht.“
Auch Unternehmen aus der ersten Börsenliga stehen auf der Schmähliste
Böse Überraschungen sind allerdings auch bei traditionsreichen Unternehmen möglich, die der ersten Börsenliga – dem Deutschen Aktienindex (Dax) – angehören. Das zeigt das Beispiel des Dax-Gründungsmitglieds Bayer, das erstmals auf der Liste der größten Kapitalvernichter landete. Der Konzern leidet seit Jahren unter der Übernahme des US-Unternehmens Monsanto, um dessen Unkrautvernichter Glyphosat ein milliardenschwerer Rechtsstreit tobt. Neben Bayer finden sich auf der DSW-Liste zwei weitere Dax-Konzerne: der Gesundheitskonzern Fresenius und die Deutsche Bank.
Trotz der Rekordjagd an den Börsen und der wachsenden Zahl an Aktienanlegern sieht die DSW noch keine Anzeichen für eine Blase wie zur Jahrtausendwende. Extreme Überbewertungen wie damals seien nicht zu beobachten, sagte Tüngler. Auch der Börsengang des Funkmasten-Betreibers Vantage Towers am Donnerstag habe gezeigt, „dass die Anleger nicht bereit sind, jeden Preis auf den Tisch zu legen“. Der Ausgabepreis für die Vantage-Towers-Aktie lag mit 24 Euro im unteren Viertel der zunächst genannten Preisspanne. Insgesamt brachte der Börsengang dem Mutterkonzern von Vantage Towers, Vodafone, 2,3 Milliarden Euro ein. Es war der größte Börsengang in Deutschland seit drei Jahren. Vantage Towers könnte in den M-Dax einziehen.