Mit dem Hausboot unterwegs vor den italienischen Städtchen Caorle, Grado und Marano.
Venedig - „Frankreich ist für Einsteiger, die Lagune für Profis“, findet die österreichische Damenriege, die in ihrem Urlaub regelmäßig im Hausboot unterwegs ist – seit sieben Jahren, in ganz Europa. Die Lagune fordert absolute Aufmerksamkeit und durchaus etwas Geschick als Freizeitkapitän – das merkt man, wenn man sich dafür das Lagunengebiet im nördlichen Zipfel der Adria ausgesucht hat: die Lagunen von Caorle, Marano und Grado samt einmündenden Flüssen und Kanälen. Die Seekarte braucht, wer nicht im offenen Meer landen oder auf einer der zahlreichen Untiefen auf Grund laufen will. Für das, was die einzigartige Wasserlandschaft an Konzentration beim Navigieren fordert, entschädigt sie mit unberührter Natur und sympathischen Städten.
Camping auf dem Wasser
Italien mit dem Hausboot ist Italien mal anders, Camping auf dem Wasser mit vielen Gelegenheiten, Land und Leute kennenzulernen. Gerade in der Lagune sind die Einheimischen sehr hilfsbereit gegenüber den Hausbootfahrern.
„Da vorne an der Boje müsst ihr ganz nah an den Holzpfählen bleiben, sonst sitzt ihr auf der Sandbank auf“, ruft der Fischer, der in seinem flachen Motorboot extra gewendet hat, um die Touristen sicher an der Untiefe vorbei zu lotsen. „Die Lagune ist wunderschön, aber man muss sie zu nehmen wissen und ein paar Regeln kennen“, ruft er den Neulingen noch zu, bevor er wieder abdreht.
Die dicken Holzpfähle, die in der Lagune die Fahrrinne für die Boote kennzeichnen, nutzen Möwen als Luxussitz mit Rundumsicht und im flachen Wasser haben sich kleine Inseln gebildet. Ein Paradies für Wasservögel, die sich von den Booten nicht stören lassen.
Die Natur bestimmt den Rhythmus
Ausgangspunkt der Hausboottour ist in diesem Fall die Basis von le boat in Precenicco, einem kleinen Örtchen am Ufer des Flusses Stella. Mit dem Auto wäre es nicht einmal eine Stunde von dort bis nach Grado, dem Ziel für die erste Nacht. Mit dem Hausboot sind es rund sechs Stunden gemütliche Fahrt. Die Natur bestimmt den Rhythmus.
„Das Wichtigste beim Hausbootfahren ist Ruhe bewahren“, gibt Ivan Gregorig den Neulingen mit auf den Weg. In einer bis zu zweistündigen Einführungstour dreht er mit den Hausbootfahrern gemeinsam eine erste Runde auf dem Fluss. Erklärt, wie das Ab- und Anlegen funktioniert, wie das Boot gedreht werden kann oder, dass Boote keine Bremse haben, sondern per Rückwärtsgang zum Stillstand gebracht werden. Wobei Stillstand auf dem Wasser relativ ist.
Irgendwo ist immer Strömung, immer Wind, sind immer Wellen. Erst wenn das Boot mit den Tauen am Anleger festgebunden ist, bleibt es wirklich dort, wo es soll. „Vor allem wenn ihr in einem Hafen in der Lagune anlegt, dürft ihr die Taue nicht zu straff ziehen. Das Boot muss mit Ebbe und Flut steigen und sinken können“, erklärt Ivan weiter. Ein Gezeitenkalender als Teil des Bordbuchs soll dafür sorgen, dass man immer aktuell informiert ist. Dann geht es los.
Fahrt durch eine herrliche Landschaft
Der Stella mäandert in Richtung Lagune. Am Ufer reicht der Bewuchs bis ins Wasser. Eine Schwanenfamilie ist mit ihrem federbuschigen Nachwuchs unterwegs. Der Fischreiher wartet auf Beute. Irgendwann öffnet sich die begrenzte Sicht auf die Flussufer der Weite der Lagune. In der vorgeschriebenen Fahrrinne führt die Fahrt durch die herrliche Landschaft, bis am Horizont die Silhouette von Grado auftaucht.
„Grado war eine Insel und wurde erst in den 30er Jahren mit einem Damm, später noch mit einer Brücke mit dem Festland verbunden“, erzählt Andrea Bigot, dem der Privathafen Porto San Vito gehört. Bei einem Ausflug in die Altstadt von Grado bietet sich beim Besuch in Robertos Weinbar Al Cogolo Gelegenheit zu erfahren, wie es in Grado in der jüngsten Vergangenheit ausgesehen hat.
Archäologie am Rande der Route
In Aquileia und Concordia Sagittaria faszinieren prächtige Fußbodenmosaike aus frühchristlicher Zeit. Die schmückten einst riesige Kirchen, wurden in späteren Zeiten mit weiteren Kirchen überbaut und in jüngster Zeit Stück für Stück freigelegt. Die Dimensionen der frühchristlichen Kirchen, die sich anhand der Bodenmosaike erahnen lassen, beeindrucken genauso wie die Tatsache, dass beide Städte zu Römerzeiten wichtig waren und um ein Vielfaches größer als heute. Zum Hausbootfahren passt das aktuelle, lebhaft-beschauliche Kleinstadtflair wunderbar. Hier ein Spritz auf der Piazza, dort ein leckeres Fischgericht in einem der vielen Fischrestaurants, da kommt das Urlaubsfeeling fast von alleine.
Ach der Fisch! In Caorle bei Bepi, abends an der Uferpromenade, fällt die Wahl schwer und der Fisch schmeckt mit Blick auf die von Fischern errichtete Kirche Madonna dell’Angelo, die im pastellfarbenen Abendlicht liegt, doppelt so gut. Der fischlastige Abend im sympathisch quirligen Caorle, in dem in den Sommermonaten die Geschäfte bis spät in die Nacht geöffnet haben, ist das Kontrastprogramm zum Abendessen bei Andrea wenige Tage zuvor.
Valle da Pesca
Auf der Fischerinsel Anfora betreibt er eine sogenannte Valle da Pesca mit angeschlossenem, urigem Restaurant: Der Strom kommt aus dem Generator, gegessen wird an blanken Holztischen. Was hier zählt, ist die Tradition der Valli, eine durch Dämme und Kanäle abgegrenzte Wasserwelt, deren Wasserpegel durch Schleusen geregelt wird und in denen die Gezeiten und spezielle Gitter und Netze für den Fischfang genutzt werden.
Dass die Valli da Pesca traditionell Privatbesitz sind, hat zu einer gewissen Abgeschiedenheit geführt und dazu, dass sich in manchen Valli eine einzigartige Flora und Fauna entwickelt hat und sie daher zu Naturparks erklärt wurden. Die Valle von Andrea gehört da zwar nicht dazu, dafür können die Hausbootfahrer nach dem Abendessen, wenn die anderen Gäste im Wassertaxi längst auf dem Heimweg sind, am restauranteigenen Anlieger nächtigen und die Lagune mit allen Sinnen genießen.
Info: Anreise
Mit dem Auto über die Brennerautobahn A 22 und die A 4 bis Ausfahrt Latisana nach Precenicco. Infos zur Zuganreise unter www.bahn.de.
Hausboot mieten
Le Boat ist ein großer Anbieter von Bootsferien auf Europas Wasserwegen und bietet Boote in vier Klassen, die alle ohne Bootsführerschein gesteuert werden können. Preisbeispiele ab Precenicco für ein Hausboot für 6 Personen (drei Kabinen): Hausboot Standard ab 2339 Euro/Woche, Hausboot Comfort ab 2469 Euro/Woche, Hausboot Comfort Plus ab 3639 Euro/Woche je zuzüglich Betriebskosten pro Fahrstunde (10 bis 12,50 Euro), Liegegebühren, optionaler Haftungsbeschränkung für Schadensfälle und Kaution.
Essen und Trinken
Caorle Ristorante da Bepi, Restaurant in direkter Strandlage mit großer Frischfischauswahl. Ai Fiuri de Tapo bei Andera, Restaurant in einer Valle da Pesca auf der Insel Anfora, nur mit dem Boot zu erreichen. Concordia Sagittaria, Altamarea, sympathische Enoteca mit exzellenter Küche.