Weite Anreise: Protestierer aus Ostwürttemberg bei Regionalkonferenz. Foto: Michele Danze

Bis zum Herbst muss die Landesregierung dem Bund melden, welche Straßenausbauprojekte sie für den nächsten Bundesverkehrswegeplan vorschlägt. Voraussichtlich auf dieser Prioritätenliste: der Autobahnzubringer von Backnang zur A 81 – allerdings nicht als neuer Stuttgarter Nordostring.

Stuttgart - Mehr als 200 Teilnehmer sind zum Teil von weit her und in Bussen angereist, um sich am Donnerstagabend im Regierungspräsidium an der Regionalkonferenz mit Landes-Verkehrsminister Winfried Hermann zu beteiligen. Unter ihnen viele Bürger aus Ostwürttemberg – die in der Stuttgarter Stauhochburg gleich mal 30 Minuten zu spät eintreffen. Mit hochgehaltenen Tafeln machen sie ihre Haltung deutlich: „Mögglingen ist jetzt dran“, oder „Wir haben ein Recht auf gesunde Lebensverhältnisse“ oder „Versprochen ist versprochen“. Sie beschweren sich, dass der B-29-Ausbau nicht auf der Landes-Liste steht. Ein Versehen, wie Hermann einräumt: Die Zahlen für den Lastwagenverkehr seien nicht bekannt gewesen; doch mit 1000 Lkw pro Tag erfülle die B 29 das Kriterium, so „unsere heutige frohe Botschaft“ .

Den Zuhörer serviert der Minister ansonsten etliche Fachbegriffe. Es geht um einen „Maßnahmenpool für den Verkehrsträger Straße“, es geht um TEN-Netze (steht für Transeuropäischen Verkehr auf den Hauptachsen) und um den VB (vordringlichen Bedarf). Hermann verweist auf die SUP („strategische Umweltverträglichkeitsprüfung“) und auf „Finanzierungskaskaden“.

Was sich dahinter verbirgt: Es gibt zwar eine Vielzahl an Projekten, die auch bereits im aktuellen Bundesverkehrswegeplan enthalten sind. Doch das vom Bund zur Verfügung gestellte Geld zur Umsetzung reicht hinten und vorne nicht. „Es wurden lauter Versprechungen gemacht, die nicht gehalten werden konnten“, sagt Hermann. Sollte der Bund wie zuletzt angekündigt lediglich 120 Millionen Euro jährlich beisteuern, so würde es 36 Jahre dauern, allein diese Projekte auf der bisherigen Liste zu vollenden.

Umfassende Bürgerbeteiligung soll es geben

Aus diesem Grund hat das Stuttgarter Ministerium nun 48 Projekte aufgelistet, die sie an den Bund für den Bedarf des nächsten, von 2015 an geltenden Plans melden will. Zuvor soll es jedoch eine umfassende Bürgerbeteiligung geben – wie in Stuttgart. Eine dieser Straßen ist die L 1115, die nach dem Vorschlag des Ministeriums zur B 29 hochgestuft werden soll. Es geht um den Autobahnzubringer zur A-81-Anschlussstelle Mundelsheim. Auf der Liste verzeichnet ist dies, neben der Kostenschätzung in Höhe von 56,5 Millionen Euro, mit dem Ziffern-Buchstaben-Kürzel 24KB. Übersetzt heißt das: bisher zwei Spuren, künftig vier; derzeit keine Standstreifen, künftig auf beiden Seiten.

Im nördlichen Rems-Murr-Kreis erkannten etliche Lokalpolitiker darin eine neue „Ausweich-Autobahn“ – mit der Funktion eines neuen Nordostrings, der den von der grün-roten Landesregierung beerdigten Nordostring zwischen Waiblingen und Ludwigsburg übers Schmidener Feld ersetzt. Dem widerspricht indes Minister Hermann : „Wir bauen keinen neuen Nordostring.“ Sicher müsse die Strecke wegen ihrer hohen Verkehrsbelastung ausgebaut werden, aber lediglich dreispurig. Es stehe zwar vierspurig drin, aber nur, weil der Bund die Dreispurigkeit bisher für Bundesstraßen nicht kenne. „Die Aufregung war groß“, weiß Hermann, es sei „von einem Überraschungsei vor Ostern“ gesprochen worden – „doch ich hatte das so nicht kommuniziert“, weist er jede Schuld von sich.

„Der Wohlstand kommt vom Straßenbau

Gerade diese Verbesserung des Autobahnzubringers stößt beim Naturschutzbund allerdings auf heftige Kritik, wie sich in der Diskussion im Anschluss an Hermanns Ausführungen zeigt. Die dortigen 11 000 Fahrzeuge täglich seien „eigentlich eine Kleinigkeit“ im Vergleich zu jenen bis zu 30 000 Autos in Stuttgarter Wohngebieten, sagt der Landesvorsitzende Hans-Peter Kleemann. Und generell zieht er die von Hermann vorgestellte Liste in Zweifel: Der Verkehr habe in den vergangenen Jahren gar nicht zugenommen, der Bedarf neuer Strecken sei lediglich eine Folge der „gut organisierten Straßenbauverwaltung“. Der Widerspruch im Auditorium wie auf dem Podium kommt prompt. Wilfried Dölker aus Holzgerlingen als Vertreter des Gemeindetags verweist auf die alten Römer, die schon wussten: „Der Wohlstand kommt vom Straßenbau.“ Er fordert von Hermann erheblich mehr Engagement, um an Geld für die Straßen zu kommen: „Sie sind der Verkehrsminister, nicht der Finanzminister.“