Flammeninferno auf der A8: Im August 2011 sterben zwei Autofahrer nach einem Unfall bei Stuttgart-Möhringen Foto: Oskar Eyb

Erstmals sind in der Region Stuttgart weniger als 70 Menschen im Straßenverkehr gestorben.

Stuttgart - Für die Angehörigen der Verkehrstoten ist die Statistik kein Trost. Doch erstmals sind in der Region Stuttgart weniger als 70 Menschen im Straßenverkehr ums Leben gekommen. In Stuttgart selbst ist der Trend allerdings seit vier Jahren leicht steigend.

Der Staatsanwalt wartet noch auf das Gutachten. Seit sechs Monaten ermittelt er gegen einen inzwischen 19-Jährigen. Vorwurf: fahrlässige Tötung. Auf einer verbotenen Spritztour mit einem 265-PS-Werkwagen seines Vaters hatte der junge Mann im Juli in Ditzingen-Hirschlanden, Kreis Ludwigsburg, drei Freunde in den Tod gerissen. Ein Horrorunfall, bei dem der Mercedes gegen ein Firmengebäude flog und in einem Hinterhof aufschlug. Ein Unfall, der die gute Nachricht relativiert: 2011 gab es in der Region Stuttgart so wenig Unfalltote wie noch nie.

69 Unfallopfer in Stuttgart und den umliegenden Landkreisen sind ein neuer Tiefstwert. Die Region folgt damit dem Landestrend: 480 Verkehrstote sind ebenfalls der niedrigste Blutzoll auf den Straßen Baden-Württembergs. Dabei waren bereits im Jahr davor mit 494 erstmals weniger als 500 Unfalltote registriert worden.

In Stuttgart erhöht sich die Zahl der Unfalltoten

Die Bilanz ist nicht selbstverständlich: Bundesweit ist die Zahl der Getöteten gestiegen - um etwa sieben Prozent. Und die erste Jahreshälfte hatte auch in der Region noch einen anderen, besorgniserregenden Trend. Für den ersten tödlichen Unfall des Jahres brauchte es nur fünf Stunden und 48 Minuten. In Reichenbach, Kreis Esslingen, starb ein 28-jähriger Passat-Fahrer unter einem Sattelauflieger, den er übersehen hatte.

In Stuttgart hat sich die Zahl der Unfalltoten zum vierten Mal in Folge erhöht. Wobei elf Opfer immer noch eine relativ niedrige Zahl sind: 1973 waren es noch 123. Verkehrspolizeichef Roland Haider sieht einen besonderen Trend: "Neun der elf Getöteten hatten zuvor die Ursache des Unfalls gesetzt", sagt er. "Offensichtliches Fehlverhalten lässt sich nur schwer mit Prävention verhindern", stellt Haider fest. Junge Leute seien diesmal überproportional beteiligt.

Trauriger Höhepunkt war das Wettrennen von Heranwachsenden in Zuffenhausen im März. Ein Ford Mondeo wickelte sich um einen Baum, die beiden 18 und 20 Jahre alten Insassen waren sofort tot. Drei Motorradfahrer, vier Fußgänger, vier Autoinsassen - Haider sieht wenig Ansätze für Schwerpunkte der Vorbeugung. "Alkohol spielte fast nie eine Rolle", so der Leiter der Verkehrspolizei, "außer bei einem 21-jährigen Fußgänger, der in der Breitscheidstraße in der Innenstadt vor ein Auto stürzte."

Schlimmster Unfall auf der A8

Auch ältere Verkehrsteilnehmer sind diesmal in der Landeshauptstadt eher unauffällig gewesen. Außer bei einem besonders tragischen Unfall im August in Vaihingen: Ein 82-jähriger Mercedes-Fahrer wollte aus einer Garage fahren, verlor die Kontrolle - und erfasste auf dem Gehweg zwei Kleinkinder. Ein zweijähriger Bub starb, der dreijährige Bruder wurde schwer verletzt.

Die schlimmsten Auswirkungen hatte ein Unfall Ende August auf der Autobahn 8 bei Möhringen: Nach zwei Auffahrunfällen, von einem Autofahrer ausgelöst, gingen ein Sattelzug, ein Heizöllaster und ein BMW in Flammen auf. Im Inferno mit bis zu 40 Meter hohen Flammen kamen zwei Menschen ums Leben. Die Fahrbahn musste über mehrere Tage saniert werden. Schaden: etwa eine halbe Million Euro.

Zahl der Unfälle steigt

Weniger Unfalltote bedeutet aber nicht eine Entwarnung auf den Straßen: "Die Zahl der Unfälle geht wieder deutlich nach oben", sagt Haider. Seltsamerweise hatte das milde Herbstwetter zumindest in Stuttgart keinen positiven Effekt: "Trotz Schönwetterperiode und besten Straßenverhältnissen gab es 16 Prozent mehr Unfälle."

Im Gegensatz zu Stuttgart ist die Zahl der Schwerverletzten im Land deutlich angestiegen. Der Auto Club Europa (ACE) warnt deshalb davor, aus den niedrigen Unfalltotenzahlen zu schließen, dass sich die Verkehrssicherheit im Land erhöht habe. "Da gibt es noch erheblichen Nachholbedarf", sagt ACE-Sprecher Rainer Hillgärtner. Vergleiche man den Rückgang der Verkehrsopferzahlen in den letzten 20 Jahren, "dann belegt Baden-Württemberg bundesweit den viertletzten Rang".

Weil schnelles Fahren immer noch eine der Hauptursachen ist, fordert der ACE, wie Innenminister Reinhold Gall (SPD), das Tempomesssystem Section Control, bei dem die Durchschnittsgeschwindigkeit auf einem Streckenabschnitt gemessen wird. "Das ist wirkungsvoller als ein Blitzer an einer einzelnen Stelle", sagt Hillgärtner. Noch vermisst Hillgärtner bei Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) Bewegung: "Offenbar wird ein Sicherheitsprogramm aufgelegt", so der ACE-Mann, "wir warten drauf, uns beteiligen zu dürfen."