Der italienische Außenminister Luigi Di Maio im Gespräch mit seiner deutschen Amtskollegin Annalena Baerbock. Foto: dpa/Olivier Matthys

Italiens Außenminister Luigi Di Maio ist mit mehr als 60 Gleichgesinnten aus der Fünf-Sterne-Protestbewegung ausgetreten. In der Regierung der nationalen Einheit unter der Führung Mario Draghis ist nun die Lega von Matteo Salvini die stärkste Fraktion

Mit der „mehrdeutigen Haltung einiger Führer der Fünf-Sterne-Bewegung“ zu den Waffenlieferungen an die Ukraine sei Italien in den vergangenen Monaten Schaden zugefügt worden, begründete Luigi Di Maio seinen Austritt aus der Protestbewegung. Er bezeichnete es als „unverantwortlich“, in einer derart ernsten Situation die Politik und die Einheit der Regierung infrage zu stellen. Dies in der Absicht, verlorenes Vertrauen bei den Wählerinnen und Wählern wiederzugewinnen. „Dieser Krieg ist keine mediale Show, er ist real, und seine Opfer sind real“, betonte der Außenminister. Angesichts der Brutalität Putins müsse man sich entscheiden, „auf welcher Seite der Geschichte man stehen will“.

 

Ex-Premier Giuseppe Conti im Visier

Im Visier hatte der Di Maio in erster Linie den Parteichef der Fünf Sterne, Ex-Premier Giuseppe Conte. Dieser hatte wiederholt gefordert, keine Waffen mehr an die Ukraine zu liefern und stattdessen die diplomatischen Friedensbemühungen zu verstärken. Diese Haltung ist in Italien sehr populär – steht aber im Widerspruch zu der auch von Di Maio unterstützten Linie von Regierungschef Mario Draghi, der sich seit Beginn des Ukraine-Kriegs für Waffenlieferungen ausgesprochen hat. In der Mehrparteienkoalition hat Conte mit seiner Forderung Schiffbruch erlitten: Die Regierungsparteien haben im Parlament die bisherige Politik Draghis deutlich bestätigt.

Das Zerwürfnis mit Conte wegen der Waffenlieferungen dürfte für Di Maio ein willkommener Vorwand gewesen sein, um die Fünf Sterne zu verlassen. Der wahre Grund für den Parteiaustritt ist die in den Statuten der Protestbewegung vorgesehene Amtszeitbeschränkung auf zwei Legislaturperioden. Die Regelung hätte für Di Maio zur Folge gehabt, dass er bei den nächsten Parlamentswahlen im Frühjahr 2023 nicht mehr hätte kandidieren können. Der ehemalige Sandwichverkäufer im Fußballstadion von Neapel wäre also gezwungen gewesen, sich schon bald einen anderen Job zu suchen. Welche Existenzängste die Amtszeitbeschränkung unter zahlreichen Parlamentariern der Fünf Sterne erzeugt, lässt sich auch daran ablesen, dass zusammen mit Di Maio mehr als 60 weitere Abgeordnete und Senatoren aus der Protestbewegung ausgetreten sind – die meisten von ihnen befinden sich wie der Außenminister ebenfalls schon in der zweiten Amtszeit. Es wirkte wie eine Massenflucht – und die Parteispaltung führt dazu, dass nun nicht mehr die vom Komiker Beppe Grillo gegründete Protestbewegung, sondern die rechtspopulistische Lega von Matteo Salvini stärkste Regierungspartei ist.

Mehr als 60 Abgeordnete und Senatoren treten aus Partei aus

Die Beschränkung auf zwei Amtszeiten ist der eigentliche Markenkern der Anti-System-Partei: Sie dient zur Abgrenzung von der verhassten „Kaste“, also den Berufspolitikern der traditionellen Parteien, denen die „Grillini“ Parasitentum auf Kosten der Steuerzahler vorwerfen. Kombiniert ist die Amtszeitbeschränkung mit der Verpflichtung der Fünf-Sterne-Mandatsträger, auf die Hälfte ihrer üppigen Politikergehälter zu verzichten und diese für wohltätige Zwecke zu spenden. Dieses Versprechen haben etliche „Grillini“ inzwischen vergessen oder verdrängt: Mehr als hundert ihrer Parlamentarier sind mit der teilweisen Rückerstattung der erhaltenen Zahlungen in Verzug oder haben sie gleich ganz eingestellt.

Im Jahr 2018 mit 34 Prozent stärkste politische Kraft geworden

Nicht wenige der einstigen Rebellen sind längst selbst zur Kaste geworden – oder zu einem Kästchen: Die Protestbewegung, die bei den Parlamentswahlen von 2018 mit 34 Prozent der Stimmen stärkste politische Kraft des Landes geworden war, hat inzwischen fast jeden Kredit bei den Wählern verspielt und spielt bei Wahlen kaum noch eine Rolle. In Rom und Turin, wo sie fünf Jahre lang die Bürgermeisterinnen stellten, wurden sie 2021 abgewählt. Bei den jüngsten Kommunalwahlen haben sie noch etwa drei Prozent der Stimmen geholt; in vielen Städten sind sie schon gar nicht mehr angetreten. Mit der Parteispaltung dürften die „Grillini“ endgültig zu Sternenstaub zerfallen.

Weil bei den nächsten Parlamentswahlen die Zahl der Sitze im Abgeordnetenhaus und im Senat um einen Drittel reduziert wird, dürfte nur noch ein Bruchteil der einst 333 Fünf-Sterne-Parlamentarier den Wiedereinzug schaffen. Auch die Parlamentsverkleinerung war – Ironie des Schicksals – eine Forderung der Anti-System-Partei gewesen.

Kein Platz für Hass, Populismus, Chauvinismus und Extremismus

Die Fahnenflüchtigen rund um Di Maio haben im Parlament bereits eine neue Fraktion gegründet, die zur Keimzelle einer neuen Mitte-Partei werden soll. Sie heißt „Insieme per il futuro“ („gemeinsam für die Zukunft“) und wird, so der ehemalige Oberpopulist Di Maio, „keinen Platz für Hass, Populismus, Chauvinismus und Extremismus“ bieten. Dafür aber Platz für jene, die wegen der Amtszeitbeschränkung bei den Fünf Sternen nicht mehr kandidieren können, jedoch Berufspolitiker bleiben wollen.