Im dunklen Finnland sind Reflektoren an der Kleidung für Fußgänger Pflicht. Das Foto zeigt, warum diese Pflicht 2003 eingeführt wurde. Foto: StN

Deutsche Verkehrspolitiker träumen gerne von null Verkehrstoten. Dazu müssten sie aber auch unpopuläre Dinge beschließen. Zum Beispiel eine Reflektoren-Pflicht für Fußgänger im Winter, wie sie in nordischen Ländern gilt.

Stuttgart - Die Zahl der Verkehrstoten wird in Deutschland in diesem Jahr voraussichtlich zum zweiten Mal in Folge wieder steigen – nach einer langen Phase des Rückgangs. Experten rechnen mit etwa 3450 Opfern, 2014 waren es 3377. Fast 16 Prozent der Verkehrstoten waren im vergangenen Jahr Fußgänger, mehr als jeder dritte der 523 im Verkehr getöteten Fußgänger starb in den Monaten November bis Januar. Diese Zahl könnte man halbieren, glaubt man den Untersuchungen, die aus nordischen Ländern kommen. Dort, wo es im Winter besonders lange dunkel ist, sind Reflektoren an der Kleidung für Fußgänger Pflicht.

Eine Leserin, in Finnland aufgewachsen, erzählte unserer Zeitung, wie das dort abläuft: „Jedes Jahr kommt im Herbst die große Erinnerung – Radio, TV, Zeitungen, überall: ‚Mach Dich sichtbar – vergiss die Reflektoren nicht!‘.“ Schon als Kind habe ihre Oma die Kinder nie ohne Reflektoren rausgelassen. „Sie hat es auch gut erklärt, dass sie als Erwachsene ihren Reflektor tagsüber in der Manteltasche hat und erst abends am Band rausholt, so dass der in Kniehöhe hängt, weil in der Höhe die Autos ihre Lichter haben.“

Schon ein kleines Plastikteil, das das Licht der Autos reflektiert, würde helfen. Laut finnischen Untersuchungen kann ein Autofahrer bei Nacht einen Passanten mit Reflektor bereits 150 Meter vorher erkennen. Ohne Reflektor sind es nur 40 Meter. Bei eingeschaltetem Fernlicht steigt dieser Abstand sogar von 100 auf 300 Meter.

Vorschreiben will man hierzulande nichts

In Finnland sind Reflektoren seit 2003 Pflicht, in Deutschland haben sie sich bei Fußgängern bislang nicht durchgesetzt.

Abc-Schützen tragen vielleicht reflektierende Westen und leuchtende Schulranzen. Die meisten Erwachsenen hingegen sind ohne Reflektoren unterwegs – im Winter zudem oft auch noch in dunkler Kleidung.

Dass es anders besser wäre, räumt man im baden-württembergischen Verkehrsministerium ein. „Es hätte einen positiven Verkehrssicherheitseffekt, wenn alle sich bei Dunkelheit stets nur mit reflektierender und heller Kleidung gekleidet im öffentlichen Raum bewegen würden“, heißt es dort. Aber nicht alles, was wirke, sei auch angemessen.

Frankreich hat eine Warnwesten-Pflicht für Radfahrer

Im Klartext: Daran, eine Reflektoren-Pflicht wie in Finnland einzuführen oder auf Bundesebene anzuregen, denkt man im Stuttgarter Verkehrsministerium nicht. „Wir informieren die Menschen über den Sicherheitsgewinn durch helle oder reflektierende Kleidung“, so ein Sprecher. „Die Menschen können dann selbst entscheiden, wie sie sich verhalten wollen.“

Auch was die Sichtbarkeit von Radfahrern angeht, setzt man hierzulande auf Einsicht und Freiwilligkeit. Schwerpunkt der Aufklärungsaktionen ist die Beleuchtung am Fahrrad. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) zeigt Schülern zum Beispiel mit Hilfe eines Dunkeltunnels, wie schlecht Radfahrer ohne Reflektoren und Beleuchtung zu sehen sind.

In anderen Ländern geht es auch für Radfahrer zum Teil strenger zu. In Frankreich gilt zum Beispiel seit Oktober 2008 für Radfahrer eine Warnwestenpflicht außerhalb geschlossener Ortschaften – bei Nacht und bei schlechter Sicht. Bei der Einführung kam man auf die Idee, den Modeschöpfer Karl Lagerfeld als Werbefigur zu gewinnen. Auf Plakaten war er in gelber Warnweste abgelichtet mit dem Spruch: „Sie ist gelb, sie ist hässlich, und sie passt zu nichts. Aber sie kann Euer Leben retten.“