Belgiens Premier Alexander de Croo fordert in Straßburg die EU-Abgeordneten auf, die Demokratie vehementer zu verteidigen. Foto: AFP/FREDERICK FLORIN

Die Europaparlamentarier sehen in einigen EU-Staaten die Demokratie in Gefahr. Gesucht wird einer Strategie, den rechtsnationalistischen Kräften zu begegnen.

Eine Sorge geht um im Europäischen Parlament, die Sorge vor dem Erstarken der rechtsnationalen Kräfte in Europa. Aus diesem Grund ist die erste Arbeitswoche der Abgeordneten des neuen Jahres geprägt von Diskussionen, wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Zukunft verteidigt werden können. Die Politiker können nicht länger die Augen vor den immer zahlreicheren, alarmierenden Entwicklungen in den EU-Mitgliedstaaten verschließen. Mit zunehmender Sorge beobachtet das Parlament, dass selbst rechtsextreme Gruppierungen ihre Umsturzfantasien inzwischen sehr selbstbewusst öffentlich zur Schau tragen.

Eine Versammlung von Mussolini-Getreuen

Für Empörung sorgte zuletzt eine neofaschistische Versammlung von Mussolini-Getreuen Anfang Januar in Rom. Auf einem Video zu sehen sind mehrere Hundert schwarz gekleidete Menschen, die ihren rechten Arm zum Faschistengruß in die Höhe recken und damit „alle gefallenen Kameraden“ ehren wollten. Besondere Brisanz erhalten die Bilder, weil seit über einem Jahr die Postfaschistin Giorgia Meloni Premierministerin von Italien ist. Zum großen Erstaunen vieler Beobachter war sie zu Beginn ihrer Amtszeit bemüht, Verantwortungsbewusstsein zu zeigen und gab sich sehr kooperativ gegenüber Brüssel. Doch inzwischen bestimmt vor der Europawahl im Juni wieder nationalistische Propaganda ihr Tun. Melonis Ziel ist es offensichtlich, ihre Macht in Italien und Europa zu zementieren. Dafür geeignet scheint der Postfaschistin nun ein rüder Konfrontationskurs mit Brüssel und eine nationalistische Industriepolitik der Abschottung.

Diese bedenkliche Entwicklung der italienischen Regierung und die Zusammenkunft der Rechtsextremen in Rom hat das Europaparlament zum Anlass genommen, das Thema in Straßburg unter der Überschrift „Neo-Faschismus in Europa bekämpfen“ auf die Tagesordnung zu setzen. Die SPD-Abgeordnete Katarina Barley erinnerte daran, dass dies ein europaweites Phänomen sei und auch in Deutschland die Demokratie durch extreme rechte Strömungen bedroht sei. „Die totalitären Gedankenspiele der AfD zur Umsiedlung von Million Menschen sind erschütternd - und ein Weckruf“, sagte die Vize-Präsidentin des EU-Parlaments. „Während sich die AfD in Deutschland noch im Geheimen trifft, ist die Abschaffung des Rechtsstaates in anderen EU-Ländern wie Ungarn längst Realität.“

Der unendliche Streit der EU mit Ungarn

Der seit Jahren anhaltende Streit mit der Regierung in Budapest um den Abbau von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, nimmt in der ersten Sitzungswoche des Parlaments deshalb erneut einen breiteren Raum ein. Zu dieser Diskussion kommen am Mittwoch auch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel nach Straßburg. Sie werden sich sehr deutliche Worte von den Parlamentariern anhören müssen, die Gangart gegenüber Ungarn deutlich zu verschärfen. Am Donnerstag soll schließlich eine Resolution zur Abstimmung gestellt werden. Als Grundlage dient ein Bericht von Katarina Barley zur Lage der Grundrechte in Europa. Ein Fazit sei, heißt es von Seiten der Sozialdemokraten, dass Europa seine Werte entschlossen verteidigen müsse und etwa Ungarn das Stimmrecht bei EU-Entscheidungen entziehen müsse. „Wer sich nicht an die europäischen Grundwerte hält, darf nicht mitentscheiden,“ fordert Barley.

Warnung vor Trumps Wahlsieg

Die Verteidigung der Demokratie sei auch ein Schwerpunkt der sechsmonatigen belgischen Ratspräsidentschaft, betonte Belgiens Premierminister Alexander de Croo am Dienstag vor dem EU-Parlament in Straßburg. Denn die Rechtsstaatlichkeit sei keine Nebensächlichkeit, sondern bilde „das Herz der Europäischen Union“. Er warnte allerdings, dass die Bedrohung der Demokratie nicht nur in Europa ein Thema sei. Der Belgier zeichnete ein düsteres Bild im Falle einer möglichen zweiten Amtszeit für den Ex-US-Präsidenten Donald Trump. „Wenn uns das Jahr 2024 wieder ‚America First’ bringt, wird Europa mehr denn je auf sich allein gestellt sein“, sagte Alexander De Croo. Die EU müsse aus diesem Grund „stärker, unabhängiger und selbstständiger“ werden. Diese Aussicht könne auch eine Chance für die Weiterentwicklung Europas sein. Dazu müsse die Europäische Union aber zusammenstehen und dürfe nicht in gefährliche und zerstörerische Nationalismen zurückfallen.