Rechtsextremistisches Gedankengut breitet sich zunehmend in Deutschland aus – das gilt laut der Fachstelle „DeRex“ auch für den Rems-Murr-Kreis. Foto: dpa/Patrick Pleul

Die Friedrich-Ebert-Stiftung veröffentlichte kürzlich ihre jährliche „Mitte-Studie“ mit dem Ergebnis, dass der Rechtsextremismus in Deutschland stark zunimmt. Wie ist die Situation im Rems-Murr-Kreis?

Die Ergebnisse der im September veröffentlichten „Mitte-Studie“ der Friedrich-Ebert-Stiftung ließen viele Menschen aufhorchen. Laut der Studie sind rechtsextreme Einstellungen in der deutschen Gesellschaft weiter verbreitet als noch vor wenigen Jahren. Der Anteil liegt inzwischen bei acht Prozent, ein klarer Anstieg im Vergleich zu den zwei bis drei Prozent der Vorjahre. Und auch wenn rechtsextreme Haltungen im Osten noch immer verbreiteter sind als im Westen, liegt der Wert auch hier inzwischen bei sechs Prozent. Doch woran liegt das eigentlich?

 

Sehnsucht nach einfachen Lösungen in komplexen Zeiten

Mona Franke arbeitet bei der Fachstelle für Demokratieförderung und Rechtsextremismusprävention (DeRex) in Backnang, beschäftigt sich berufsbedingt also mit genau solchen Fragen. Die Zunahme an extremistischen Einstellungen überrascht sie nicht, da sich diese bereits in früheren Umfragen abgezeichnet habe: „Krisen sind immer Nährboden für antidemokratische und extremistische Bewegungen, da diese den Menschen vermeintlich einfache Lösungen für die Herausforderungen der Zeit anbieten.“

Angesichts dessen wirken die Ergebnisse der Studie wenig überraschend, befinden wir uns doch in sehr krisenreichen Zeiten – Stichwort Corona, Krieg, Inflation. Umso drängender stellt sich für die Fachstelle die Frage, wie der Trend gestoppt oder gar umgekehrt werden kann. Eine Möglichkeit ist Aufklärung und Weiterbildung, das hat sich auch die „DeRex“ zum Ziel gesetzt. Der Schwerpunkt der Fachstelle liegt besonders auf der Bildungs- und Präventionsarbeit. So können Jugendliche, aber auch pädagogische Fachkräfte, an verschiedenen Workshops teilnehmen. In Schulen geschieht das oft ab der neunten Klassenstufe.

Demokratiebildung nicht nur Aufgabe der Lehrer

Möchte eine Schule ein Demokratiebildungskonzept erstellen, kann die Fachstelle ebenfalls behilflich sein: „Hier erheben wir zunächst, was die jeweilige Schule bereits im Bereich der Demokratiebildung umsetzt und wo es weitere konkrete Ansatzpunkte gibt, im Leitbild der Schule sowie bei Schulveranstaltungen und Ähnlichem.“ Frankes Einschätzung zufolge sind für die Demokratiearbeit an Schulen nicht allein die Lehrerinnen und Lehrer zuständig. Auch Bereiche wie das Sekretariat, die Elternschaft oder Ganztagsbetreuung hätten wichtige Funktionen zu erfüllen. Die Aufgabe der Demokratiebildung sei also nicht als starres Unterrichtskonzept zu verstehen, sondern müsse Raum im Schulalltag finden: „Bei der Demokratiebildung geht es um eine Haltung, nicht um Unterrichtsstunden.“

Auch wenn die „DeRex“ spezifisch Rechtsextremismus im Namen trägt, befasst die Stelle sich nicht nur mit dieser Form von Extremismus. Auch Aufklärung zu Linksextremismus und zu religiös begründetem Extremismus kann bei Bedarf in die Workshops und Arbeit der Fachstelle miteinfließen. Der Fokus auf Rechtsextremismus ist aber nicht zufällig, sondern liegt in den rechtsextremistisch motivierten Vorfällen im Rems-Murr-Kreis zu Beginn des Jahrtausends begründet.

Damals war beispielsweise ein Asylbewerberheim in Waiblingen angezündet worden. „Auch wenn sich diese Vorfälle verändert haben, gibt es bis heute rechtsextreme Strukturen im Rems-Murr-Kreis“, sagt Franke. So stelle der Kreis auch bei der in der Mitte-Studie genannten zunehmenden Radikalisierung ihrer Einschätzung nach vermutlich keine Ausnahme dar. „Immer wieder gibt es Vorfälle mit rechtsextremem Hintergrund: Hakenkreuzschmierereien an Schulen, Vandalismus, Beleidigungen, volksverhetzende Äußerungen, Chatverläufe in WhatsApp-Gruppen, Internetauftritte mit reichs- und verschwörungsideologischen Inhalten und Ähnliches.“

Transparenz bei politischen Entscheidungen notwendig

Hier sieht sie auch die Politik in der Verantwortung, um dem etwas entgegenzusetzen. Vor allem bei der Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern sehe sie diesbezüglich noch Verbesserungspotenzial. Die politischen Handlungen müssten transparenter gemacht werden: „In Zeiten von schnelllebigen Medien ist es für das Vertrauen in die Demokratie umso wichtiger, nicht auf Schlagzeilen zu setzen, sondern Informationen über politische Entscheidungsprozesse sachlich, verständlich und greifbar darzulegen“, betont Franke. Zudem sei es wichtig, das Wählerpotenzial der jungen Menschen ernstzunehmen. Rechte Organisationen seien oft sehr aktiv in den sozialen Medien. Deren Präsenz müsse man etwas entgegensetzen, demokratische Parteien müssten online aktiver und dadurch für junge Menschen wahrnehmbarer werden.

Von den Studienergebnissen besorgten Bürgern rät Mona Franke, aktiv zu werden. Das könne schon im kleinen Rahmen beginnen. Man könne beispielsweise mit Bekannten das Gespräch suchen, die in ihrem WhatsApp-Status antidemokratische Meldungen verbreiten würden. Dabei betont sie besonders, dass es nicht um Konfrontation gehen sollte. Vielmehr sollte das Ziel sein, die Beweggründe des Gesprächspartners zu verstehen und gleichzeitig neue Denkanstöße zu geben. Zum Schluss fügt sie als Appell an alle noch hinzu: „Und gehen Sie wählen!“