Bei einer Razzia gegen die ’Ndrangheta wurden in Deutschland und Italien rund 170 Verdächtige festgenommen. Foto: dpa

Das Bundeskriminalamt hofft nach dem Schlag vom Dienstag auf eine Abschreckung anderer Clans. Deutschland soll kein sicherer Rückzugsraum mehr sein.

Stuttgart - Die vier verdächtigen Mafiamitglieder, die am Dienstagmorgen in Baden-Württemberg festgenommen wurden, müssen mit einer raschen Auslieferung nach Italien rechnen. Das kündigte am Mittwoch ein Sprecher der zuständigen Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart an. Haftrichter im Rems-Murr-Kreis, im Ortenaukreis und im Kreis Reutlingen hätten noch am Tag der Festnahme sogenannte Festhalteanordnungen erlassen. Das Oberlandesgericht werde „innerhalb weniger Tage“ über die Verhängung von Auslieferungshaftbefehlen entscheiden, so der Sprecher. Alle Razzien in Deutschland gehen auf ein Rechtshilfeersuchen Italiens zurück, von wo aus im Vorfeld zunächst europäische Haftbefehle gegen die Verdächtigen in Deutschland erwirkt worden waren.

Insgesamt sind in vier deutschen Bundesländern elf Verdächtige festgesetzt worden. Widerstand gab es Behördenangaben zufolge nicht. Alle Gefassten sollen baldmöglichst nach Italien überstellt werden. Ein Sprecher der Carabinieri im süditalienischen Crotone sagte am Mittwoch in Rom: „Es gibt noch keinen genauen Termin, aber es sollte nicht lange dauern.“

Nicht wieder ein Formfehler wie vor gut zwei Jahren

Gegen die Verdächtigen, die der ’Ndrangheta-Gruppierung Farao-Marincola angehören sollen, erhebt die italienische Justiz schwere Vorwürfe. Sie reichen von versuchtem Mord bis zur Geldwäsche. Unter anderem sollen in Deutschland Gastronomen auf erpresserische Weise gezwungen worden sein, überteuerte italienische Lebensmittel zu beziehen, die von Mafiafirmen geliefert wurden.

Ausgeschlossen sei, heißt es aus Ermittlerkreisen, dass diesmal Formfehler die Strafverfolgung vereiteln. So ist es im November 2015 gewesen, als das Oberlandesgericht Karlsruhe die Freilassung von sieben verdächtigen ’Ndrangheta-Mitgliedern verfügte. Die Männer waren vier Monate zuvor im Zuge der Operation „Rheinbrücke“ in den Landkreisen Konstanz und Ravensburg festgenommen worden. Dann stellte sich heraus, dass die aus Italien übermittelten Strafvorwürfe mehr als fünf Jahre alt waren. Damit waren sie nach deutschem Recht verjährt. Die Männer tauchten sofort nach der Freilassung unter. Der Fehlschlag löste erhebliche Verstimmungen in Polizei- und Justizkreisen aus.

Die Gebäudedurchsuchungen haben wenig ergeben

Der deutsch-italienische Journalist und Buchautor Sandro Mattioli („Die Müll-Mafia“) sieht in der Aktion vom Dienstag einen Erfolg, aber keinen durchschlagenden. Es sei nur um einen einzigen Clan gegangen. „Es ist ja nicht so, dass die Mafia jetzt aus Baden-Württemberg verschwunden ist.“ Ohne die italienische Vorarbeit wäre der Schlag seiner Auffassung auch nicht möglich gewesen. „Es ist wieder einmal eine italienische Aktion gewesen. Manche Staatsanwaltschaften in Deutschland sind zu zögerlich.“ Mattiolis Überzeugung nach ist die Mafia weit mehr in der deutschen Gesellschaft verankert als allgemein angenommen. „Mafiageld steckt in allen Geschäftsbereichen, die man sich vorstellen kann, und nicht nur von Italienern. Allein in Baden-Württemberg investiert die Mafia dreistellige Millionenbeträge.“

Beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden (BKA) wird mit einer hohen Signalwirkung innerhalb der organisierten Kriminellenszene gerechnet. „Wir versprechen uns, dass die Botschaft kommt: Auch in Deutschland seid ihr nicht sicher“, sagte eine Sprecherin. Lange genug sei Deutschland als gefahrloser Rückzugsraum betrachtet worden. Nach BKA-Angaben sind bundesweit aktuell rund 550 Namen von Mafiaverdächtigen bekannt.

Deutsche Fahnder haben am Dienstag auch Dutzende Wohnungen, Gebäude und Büros durchsucht. Die Ausbeute ist nach Ermittlerangaben offenbar dünn. So sind beispielsweise keine Waffen oder größere Drogenmengen gefunden worden.