Ein orthodoxer Priester segnet die Sojus-Rakete, mit der Alexander Gerst fliegt. Foto: Esa

Alexander Gerst bricht am Mittwoch zur Internationalen Raumstation auf. Was passiert in den letzten Stunden davor? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Baikonur - Das Warten hat ein Ende: Nach monatelangem Training startet Alexander Gerst aus Künzelsau mit seinem Team am Mittwoch ins All. Im kasachischen Baikonur läuft derzeit die heiße Phase in der Vorbereitung des Starts. Was sollten man darüber wissen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wie bereitet sich Alexander Gerst in den letzten Tagen vor?
Die letzten Tage verbringen Alexander Gerst und seine Teamkollegen im Kosmonauten-Hotel auf dem Gelände des Weltraumbahnhofs im kasachischen Baikonur. Sie treffen jetzt nur noch die Menschen, die den Start mit ihnen vorbereiten, um eine Ansteckung mit Krankheiten zu vermeiden. Die Astronauten werden täglich medizinisch durchgecheckt. Und sie müssen sich jeden Tag eine halbe Stunde auf eine schwenkbare Liege legen und kopfüber „abhängen“: „Fühle mich wie eine Fledermaus“, sagt Alexander Gerst. Das soll den Körper auf die Schwerelosigkeit vorbereiten. Zu den Ritualen vor dem Start gehört auch, dass jeder Astronaut einen Baum im Park pflanzt und auf der Tür seines Hotelzimmers unterschreibt.
Was passiert unmittelbar vor dem Start?
Etwa drei Stunden vor dem Start legen die Astronauten ihre Raumanzüge an. Das muss jeder alleine können. Dann werden sie im Bus zur Startrampe gefahren. Unterwegs fragt der Fahrer, ob sie noch einmal Wasser lassen müssen – eine Tradition, die auf Juri Gagarin zurückgeht, der genau zu diesem Zweck noch mal ausstieg. Bis zur Rakete werden sie von einer Handvoll ausgewählter Personen begleitet. Zwei Stunden warten die Astronauten dann noch im Raumschiff, bis es losgeht. Während dieser Zeit dürfen sie über Funk Musik hören. Seine Playlist hat Alexander Gerst sich von Fans auf Twitter zusammenstellen lassen.
Wieso sieht der Raumanzug anders aus als beim Weltraumspaziergang?
Während des Starts tragen die Astronauten den Sokol-Raumanzug. Er schützt im Notfall zwei Stunden lang vor Druckverlust, man könnte aber keinen Außenbordeinsatz mit ihm absolvieren. Bricht an Bord der Sojus ein Feuer aus, müssen die Astronauten im schlimmsten Fall das Fenster sprengen, um dem Feuer so die Luft zu nehmen. Einen Feuerlöscher gibt es nicht.
Warum starten die Astronauten vom Weltraumbahnhof Baikonur?
Zurzeit gibt es nur ein einziges Raumschiff für bemannte Flüge zur Raumstation: die russische Sojus. Also wird auch vom Heimatstandort der russischen Raumfahrtagentur aus gestartet.
Wann genau startet Gerst am Mittwoch?
Er wird um 17.12 Uhr Ortszeit in der kasachischen Steppe abheben. In Deutschland ist es dann 13.12 Uhr.
Wie viel Treibstoff steckt in der Rakete?
Die Treibstofftanks der Sojus-Rakete für die erste Zündstufe sind mit 77 Tonnen Kerosin gefüllt, der Rest ist flüssiger Sauerstoff. Das heißt, für den Transport der drei Astronauten und ihres Gepäcks wird fast so viel Treibstoff verbrannt wie bei einem gewöhnlichen Transatlantikflug.
Wie lange wird der Flug dauern?
Wenn alles nach Plan läuft, dockt das Sojus-Raumschiff am Freitag, 8. Juni, gegen 15 Uhr an die Raumstation an – nach 34 Erdumkreisungen. Bei Gersts erster Mission 2014 dauerte es nur sechs Stunden.
Müssen die Astronauten dann zwei Tage lang angeschnallt sitzen bleiben?
Nein. Die Sojus besteht aus drei Teilen: Dem Rückkehrmodul, in dem die Astronauten während des Starts sitzen, dem Orbitalmodul, in dem sie sich später aufhalten können, und dem Antriebsmodul. Das Rückkehrmodul ist in der Tat unglaublich eng. Dort können die Astronauten nicht einmal die Beine ausstrecken. Damit der Start trotzdem einigermaßen erträglich ist, wird für jeden Astronauten das Sitzpolster lange individuell gefertigt – mithilfe eines Gipsabdrucks des Gesäßes. Ihren Anzug – und die darin befindliche Windel – legen sie erst auf der Station ab.
Warum gibt es keine Touchscreens in einem Raumschiff?
Elon Musk hat angekündigt, dass es in seinen Raumschiffen Touchscreens geben soll. Im russischen Raumschiff gibt es so etwas nicht – sondern nur Tasten, die mit kleinen Gitterboxen umgeben sind. Das ist aber eine praktische Lösung – denn so können die Astronauten auch während der heftigen Vibrationen beim Start mit einem Stab den richtigen Knopf drücken.
Kann sich der Flug – so ähnlich wie bei einer Reise hier unten auf der Erde – in letzter Minute verschieben?
Es ist immer möglich, dass kurz vor dem Start ein Defekt offenbar wird. Bei den Sojus-Raketen ist das aber – im Gegensatz zu unbemannten Raketen – extrem selten. 1983 gab es bei einem Start Probleme. Das automatische Rettungssystem sprengte die Kapsel mit den Astronauten ab. Alle drei überlebten damals das Notfallmanöver.
Was nimmt Alexander Gerst alles mit?
Anderthalb Kilogramm an privatem Gepäck darf jeder Astronaut mitnehmen. Dieses Gepäck wurde bereits vergangenen Mittwoch im Raumschiff verstaut. Anders als beim ersten Mal habe er sich dieses Mal nicht groß den Kopf zerbrochen, wie er diesen Platz nutzen könne, sagt Gerst. Weil es 2014 bei der WM Glück brachte, nimmt Gerst wieder den angestrebten zusätzlichen Stern für die deutsche Elf mit.
Was ist beim zweiten Start anders als beim ersten?
Beim ersten Mal habe er sich so auf die technischen Abläufe konzentriert, dass er es versäumt habe, zum Fenster hinaus zu blicken. Deshalb will Alexander Gerst dieses Mal die Gelegenheit nutzen und den Start genießen. Allerdings kann er sich auch nicht nur zurücklehnen. Er ist Co-Pilot. Im Notfall muss er dem Piloten helfen oder die Sojus sogar alleine fliegen.
Wer betreut den Start technisch?
Vom Start auf dem russischen Weltraumbahnhof Baikonur bis zur Ankunft auf der Internationalen Raumstation ist das Kontrollzentrum der russischen Weltraumagentur Roskosmos in Koroljow bei Moskau zuständig – sie kennt sich mit dem Sojus-Raumschiff am besten aus. Alexander Gersts Kollege Matthias Maurer wird dort sein, um den Kontakt zu halten. Bei der Ankunft an der Station übernimmt dann das Kontrollzentrum in Houston.
Und wie fühlt es sich an, auf 28 Millionen PS zu sitzen?
Absolut großartig, sagt Gerst. Der beeindruckende Lärm einer Rakete plagt eher die Zuschauer, die in etwa 1500 Meter Entfernung den Start verfolgen.