Der Race Touareg von de Villiers und von Zitzewitz im Landeanflug: Eine Rallye ist kein Wattepusten – schwere Unfälle liegen stets in der Luft, dann sind Schnelligkeit und Kunst der Ärzte gefragt. Foto: AP

Interview: Bei der Rallye Dakar hat VW-Teamarzt Preuth stets den Notfall-Rucksack dabei.

Stuttgart - 60 Menschen haben bei der Rallye Dakar schon ihr Leben verloren. VW-Teamarzt Markus Preuth hat seine chirurgische Ausrüstung eingepackt, doch der Mediziner hofft, dass er sie bei in diesem Jahr nicht benötigt.

Herr Preuth, hatten Sie beim Flug nach Buenos Aires Übergepäck?

Nein, und das lag daran, dass ich meine Ausrüstung und die Medikamente bereits mit dem Schiff vorausgeschickt habe.

Was haben Sie denn eingepackt?

Arznei gegen Husten, Schnupfen, Heiserkeit sowie Mittel gegen Durchfall und natürlich Schmerztabletten. Darüber hinaus habe ich chirurgisches Equipment und meinen Notfall-Rucksack verschifft, so wäre ich in der Lage, kleinere operative Eingriffe etwa an Schnittwunden vorzunehmen oder einen intravenösen Zugang zu legen, falls das mal nötig sein sollte. Wenn etwa einer einen zu hohen Flüssigkeitsverlust erlitten hat und umgekippt ist.

Führen Sie auch Notfall-Operationen nach einem Unfall mitten in der Wüste durch?

Langsam, damit keine Missverständnisse aufkommen. Bei der Rallye ist der Veranstalter für die medizinische Versorgung auf den Etappen verantwortlich. Deshalb bin ich während der Wettfahrten sozusagen außen vor. Der Begleittross fährt ohnehin eine andere Route als das Feld der Wettbewerber. Falls es dort einen schweren Unfall gibt, würde ich das erst später erfahren. Sollte ich trotz allem einen Fahrer auf der Etappe versorgen, würde er disqualifiziert.

Die Rallye ist extrem gefährlich, es gibt immer wieder Todesopfer.

Das ist korrekt, aber zumindest die Autos sind sehr sicher, dank des Sicherheitskäfigs. Die Fahrer tragen alle einen Helm sowie einen Schutz für die Halswirbelsäule. Da sind die ganz schweren Verletzungen unwahrscheinlich.

Also ist die Rallye für Sie eine Art bezahlter Südamerika-Urlaub.

Na ja, das würde ich nicht sagen. Sollte ein Unfall vorkommen, dann bin nicht für die Erstversorgung verantwortlich, aber für die weitere Behandlung. Sie dürften das ja auch kennen. Nach einem Unfall ...

... hat man aufgrund des Schocks keinerlei Schmerzen, später aber ...

... stellt sich heraus, dass doch etwas wehtut. Sie kennen das: Schleudertrauma oder ein kleiner Knochenbruch. Ich bin für jede weitere Diagnostik nach den Etappen zuständig, fürs Röntgen beispielsweise oder zur Überführung zu einer Computertomografie. Und letztlich bin ich dafür verantwortlich, die betreffende Person zu beraten, ob es in ihrem Fall sinnvoll ist, die Rallye fortzusetzen oder nicht.

Sie haben eine komplette Röntgenausrüstung im Begleittross dabei? Und einen Computertomografen?

Nein, ich nicht, aber der Veranstalter baut in jedem Etappenort ein Zelt auf, in dem ein Röntgenapparat steht. Und es ist vom Rallye-Veranstalter zugesichert, dass innerhalb von 30 Minuten per Helikopter eine Klinik erreichbar ist, in der ein Computertomograf steht.

Was ist Ihre Hauptaufgabe als VW-Teamarzt?

Ich bin, gemeinsam mit zwei Physiotherapeuten, für die Rundumversorgung im Biwak zuständig. Ich achte auf die richtige Ernährung, wobei das alles Profis sind, die wissen, worauf sie achten müssen.

Was isst denn der Rallye-Pilot auf einem achtstündigen Trip durch die Wüste?

Das Institut an der Sportklinik Bad Nauheim, wo ich beschäftigt bin, hat spezielle Nahrungsgels und Energieriegel entwickelt, die die Besatzungen zu sich nehmen können. Das ist aber nur für Notfälle - Fahrer und Navigator sind auf den Prüfungen so konzentriert, dass sie nichts essen können.

Aber trinken müssen sie.

Je nach Etappenlänge führen die Teams pro Person sechs bis acht Liter Flüssigkeit mit, die über ein Schlauchsystem getrunken wird. Auch dieses Elektrolytgetränk haben wir in Bad Nauheim entwickelt - vor Ort mischen wir dann immer noch den Lieblingsgeschmack des Teammitglieds dazu.

"Eine Toilettenpause könnte über Sieg und Niederlage entscheiden"

Und wenn einer wider Erwarten mal austreten muss?

Ich werde nicht ins Detail gehen. Wenn bei einer Rallye mit einer Streckenlänge von über 9000 Kilometern die Ersten nur im Minutenbereich auseinanderliegen, dann wird keiner eine Toilettenpause einlegen, sollte er mal müssen. Diese Pause könnte über Sieg und Niederlage entscheiden.

Ist diese Rallye auch für Sie ein Abenteuer?

Es ist nicht meine Premiere, ich war schon dreimal als Teamarzt von VW auf der Rallye Dakar, darüber hinaus habe ich diese Aufgabe auch schon bei anderen Rallyes für VW in Portugal, Brasilien und Russland - um nur einige Orte zu nennen - erfüllt. Bei mir herrschen dann stets gemischte Gefühle vor: Einerseits genieße ich die fremden Länder, die fremde Atmosphäre, andererseits hoffe ich immer, dass ich keinen ernsthaften Einsatz habe. Aber es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, die Rallye Dakar sei für mich nur noch Routine.

Würden Sie gerne einmal selbst starten?

Ich war einmal Beifahrer, nur um zu sehen und zu spüren, was dabei alles passiert. Das ist für einen Arzt auch wichtig, dies alles zu kennen. Gegen meinen Rallye-Start sprechen aber zwei Dinge. Ich bin 1,90 Meter groß, es wäre mir im Cockpit deshalb viel zu eng, als dass ich über Stunden konzentriert arbeiten könnte.

Und der zweite Hinderungsgrund?

Ich bin eher ein ruhiger Autofahrer. Ich genieße eine Rallye als Zuschauer mehr.