Wer kommt nach den beiden blutigen Pharaonen Mubarak (re.) und Mursi ( Mitte)? Ein Graffito an einer Hauswand in Kairo drückt die Sorge vieler Ägypter vor der ungewissen Zukunft aus. Foto: dpa/AP

Nach gewaltsamen Demonstrationen hat die ägyptische Armee den Präsidenten Mohammed Mursi entmachtet und rasch Neuwahlen angekündigt.

kairo - Nach gewaltsamen Demonstrationen hat die ägyptische Armee den Präsidenten Mohammed Mursi entmachtet und rasch Neuwahlen angekündigt. Mursi ist offenbar an einen unbekannten Ort gebracht worden. TV-Sender der Islamisten wurden angeblich abgeschaltet. Zudem hob die Armee die von den Islamisten ausgearbeitete Verfassung auf. Damit setzte das Militär nach nur einem Jahr die gewählte Regierung Ägyptens ab. Zuvor hatte das Mursi-Lager den Militärs vorgeworfen, einen Putsch zu unternehmen. „Die Armee will nicht an der Macht bleiben“, versicherte indes Al-Sisi.

In Kairo feierten die Menschen die Absetzung von Mursi als zweite Revolution. Sein autoritärer Vorgänger Husni Mubarak wurde im Februar 2011 durch einen Volksaufstand gestürzt. In dem gerade mal einen Jahr, in dem Mursi nach freien Wahlen regierte, hat er sich fast genauso verhasst gemacht wie Langzeitpräsident Mubarak. Eine deutliche Mehrheit wollte ihn schlicht nicht mehr an der Macht sehen.

Das Militär hat schon einmal das Land am Nil regiert, und das auf eher chaotische Weise. Nach dem Mubarak-Sturz übernahm der Generalstab das Ruder. Nach etwas mehr als einem Jahr ging die Stafette an die islamistische Muslimbruderschaft weiter. Ihre Stärke ist die Wähler-Mobilisierung, und so gewann sie die ersten freien Parlaments- und Präsidentschaftswahlen.

Der Muslimbruder Mursi verstand es allerdings nicht, als Präsident aller Ägypter zu regieren. Er erwies sich als unfähig, auf Menschen anderer Gesinnung zuzugehen. Zusammen mit seinen Machtambitionen entfremdete ihn dies von der Mehrheit der Bevölkerung. Eine breite Protestbewegung formierte sich. Die Konfrontation zwischen Anhängern und Gegnern des Präsidenten drohte das Land zu lähmen. Die Gegner, unter ihnen die Revolutionäre von 2011, aber auch unzufriedene frühere Mursi-Wähler, riefen mehr oder weniger unverhohlen das Militär zur Hilfe.

Dieses schritt ein, erneut in der Rolle der vermeintlich über den politischen Niederungen schwebenden Ordnungsmacht. Immerhin erlegten sich die Generäle diesmal Zurückhaltung auf. An der Spitze der neuen Interimsregierung steht Verfassungsgerichtspräsident Adli Mansur. Außer dem Verteidigungsminister und Armeekommandanten Abdel Fattah al-Sisi werden ihr nur Zivilisten angehören. Ihr Hauptprojekt wird die Vorbereitung von Neuwahlen und die Änderung strittiger Verfassungsparagrafen sein. Die junge Demokratie werde noch einmal die Chance auf einen Neustart bekommen, glauben die Mursi-Gegner.

Die Muslimbrüder werden sich damit freilich nicht abfinden. Für den Fall eines Militärputsches haben sie Widerstand angekündigt. Wie radikal und gewaltsam dieser ausfallen wird, lässt sich noch nicht abschätzen. „Wir sind wieder am Nullpunkt angelangt“, meinte der Politologe Chalil al-Anani vom Middle East Institute in Washington. „Mit der Armee am Ruder, mit einem politischen Vakuum und mit zornigen Islamisten.“

Die ägyptische Zentralbank ordnete laut Staatsfernsehen die Schließung aller Geldinstitute im Land an. Am Donnerstag sollen sie aber für mehrere Stunden wieder öffnen.

Angesichts der Unruhen geht es mit der ägyptischen Wirtschaft rapide bergab. Der Staat hat vor allem wegen des rasanten Wachstums der Bevölkerung immer höhere Ausgaben zu schultern: für Energie- und Lebensmittelsubventionen sowie für einen riesigen Beamtenapparat. Seit dem arabischen Frühling 2011 haben die Investoren das Vertrauen verloren. Die Einnahmen aus ausländischen Direktinvestitionen gingen zurück. Auch der Tourismus – eine der wichtigsten Einnahmequellen – leidet unter der Krise.

Erstmals seit September ist der Ölpreis über 100 Dollar pro Barrel gestiegen. Die Händler befürchteten Unterbrechungen bei den Öllieferungen aus dem Nahen Osten, hieß es an der New Yorker Börse. Dort wurde das Fass Öl am Dienstagabend im elektronischen Handel für 101,32 Dollar gehandelt – 1,72 Dollar mehr als am Vortag.