Sie lässt die Puppen nicht tanzen. Sie gibt ihnen eine Seele. Im Puppenmuseum von Uschi Schulz in Esslingen trifft Nostalgie auf Herz. Amüsantes, Aufregendes, Anekdoten und Anrührendes weiß sie zu jedem Exponat zu berichten.
Wenn das nur immer so einfach wäre! Ein paar Schritte – und in Sekundenschnelle tritt eine Verjüngungskur ein. Die Jahrzehnte fallen von den Besuchern ab, und Erwachsene werden in dem kleinen, feinen Museum von Uschi Schulz wieder zu Kindern. In ihrer Blauen Insel in der Küferstraße 40 in Esslingen zeigt sie Puppen, Teddybären, Marionetten, Puppenstuben. Am Samstag, 17. Dezember, hat sie von 16 bis 18 Uhr geöffnet.
Der Liebling bleibt geheim
Zeit für ein Gespräch hat sie erst abends. Morgens muss Uschi Schulz zum Arzt. Bei ihr bedeutet das, dass sie den Puppendoktor aufsucht. Einer ihrer Schützlinge ist krank und muss gesund gemacht, repariert werden. Ihre Exponate sind für Uschi Schulz mehr als Ausstellungsstücke. Sie kennt dazu Anekdoten, Amüsantes, Anregendes, Anrührendes, Geschichten und Geschichtchen – und sie spricht gern darüber. Doch die naheliegende, aber abgedroschene Frage nach ihrem Liebling unter den mehr als 1000 Puppen beantwortet die warmherzige Frau ausweichend: „Den habe ich. Aber ich verrate ihn nicht. Sonst wären die anderen beleidigt.“
Der ernst dreinblickende Puppenjunge im schicken, hellen Pullover gehört aber zu den Favoriten. Ein Besucherehepaar aus München war ebenfalls ganz vernarrt in ihn. Aber es wollte den kleinen Buben besser behüten und ließ auf eigene Kosten eine maßgeschneiderte Mütze für ihn anfertigen. Uschi Schulz musste dafür extra seinen Kopf vermessen. Ganz nackt kam dagegen eine andere Puppe bei ihr an. Sie hatte einen TV-Auftritt in der SWR-Sendung „Kaffee oder Tee“ mit Jens Hübschen, und eine Zuschauerin aus Thüringen schickte ihr den kleinen Jungen zu. Uschi Schulz hat ihn passend zu Gesicht, Mimik und Ausstrahlung angezogen.
Ein Theater en miniature
In ihrem Museum ist sie Kostümschneiderin, Bühnenbildnerin, Regisseurin, Choreografin und Casting-Expertin in einer Person. Die alte Theaterleidenschaft blitzt durch. Mehr als 20 Jahre hat die gelernte Buchhändlerin für die Württembergische Landesbühne (WLB) als Souffleuse gearbeitet und bei dieser Tätigkeit ihren Mann, den Schauspieler Rudolf Schulz, kennengelernt. Gemeinsam haben sie das Puppenmuseum aufgebaut und es von 2000 bis 2017 zweimal in der Woche geöffnet. Doch nach dem Tod ihres Mannes macht Uschi Schulz nur noch von Zeit zu Zeit, etwa beim Tag des offenen Denkmals oder im Advent, die Türen auf.
Die große Puppe im Nebenraum trägt einen bodenlangen, roten Mantel. Ihre Mutter hat ihn für die Tochter von Uschi Schulz gehäkelt. Als sie rausgewachsen war, hat sie das Kleidungsstück weitervererbt. Die Puppe trägt es mit Würde und Nonchalance. Auch das Ambiente hat Stil. Untergebracht ist das Museum in einem Häuschen, das Teil der ehemaligen Esslinger Stadtmauer ist. Früher diente es als Lager für die Geschäfte der Küferstraße. Als der Besitzer es nicht mehr brauchte, hat Uschi Schulz die Gelegenheit beim Schopf ergriffen und hier ihr Museum eingerichtet. Die blaue Tapete gab der Blauen Insel den Namen.
Museale Mobilität
Viele Besucher fahren hier auf direktem Wege zurück in ihre Kindheit. Auch für Uschi Schulz steckt in dem Museum ein Stück Mobilität: „Das hier ist mein Auto“, sagt die 1945 in Stuttgart Geborene. Einen Führerschein oder fahrbaren Untersatz hat sie nie besessen, sondern das Geld dafür lieber in den Aufbau ihres Museums gesteckt. Eine Puppe hat besonders viel Gewicht: Käthe Kruse hat sie einst als Demonstrationsobjekt in Säuglingskursen für werdende Mütter angefertigt und sie zur besseren Realitätsvermittlung so schwer gemacht wie ein echtes Baby. „Du Mein“ nannte sie ihre Kreation. Eine von vielen Geschichten aus der Blauen Insel. Hier trifft Nostalgie auf Herz.