Mit dem Gewinn soll sich der Angeklagte Luxusartikel gekauft haben. Foto: /imago/Arnulf Hettrich

Vor dem Landgericht Stuttgart hat ein Prozess gegen einen 45-Jährigen begonnen, der kiloweise Kokain und Marihuana verkauft haben soll. Dessen Anwalt stellt den Antrag, das Verfahren einzustellen: Die Polizei habe dessen Leben übermäßig ausgeforscht.

Es herrscht großer Andrang am ersten Prozesstag gegen einen 45-jährigen Mann aus Leonberg und einen 49-Jährigen aus Mühlacker.

Rund 25 Freunde und Familienangehörige haben auf den Plätzen im Sitzungssaal des Stuttgarter Landgerichts Platz genommen. Und Rechtsanwalt Markus Bessler, der Verteidiger des 45-Jährigen, scheint gleich zeigen zu wollen, dass er sich für seinen Mandanten ordentlich ins Zeug legt: Er stellt zu Beginn des Prozesses den Antrag, die Anklage nicht zu verlesen. Diese gehe über den bloßen Anschuldigungscharakter hinaus und suggeriere einen feststehenden Sachverhalt, der die Unvoreingenommenheit der Schöffen verhindere. Nachdem die 18. Große Strafkammer nach einer kurzen Unterbrechung den Antrag zurückgewiesen hatte, erfuhren Schöffen und Öffentlichkeit, was die Staatsanwaltschaft den beiden Angeklagten vorwirft. Sie sieht den 45-jährigen Leonberger als Hauptangeklagten, der seit Jahren im Raum Stuttgart mit Kokain und Marihuana gehandelt haben soll. Insgesamt warf sie ihm 13 Fälle von Drogenhandel, Drogenbesitz und einen Verstoß gegen das Waffengesetz vor.

Mit dem Gewinn Immobilien und Luxusartikel gekauft

Er soll zwischen den Jahren 2017 und 2022 rund 14 Kilogramm Marihuana und Kokain ge- und verkauft haben. Beim Kokain geht die Anklagebehörde von einem Kilopreis von rund 40 000 Euro aus, beim Marihuana von einem Grammpreis von fünf bis neun Euro. Nur einen minimalen Teil habe der 45-Jährige zum eigenen Gebrauch benötigt. „Ihm ging es vor allem um einen höheren Lebensstandard. Er kaufte von den Erlösen Rolex-Uhren, Immobilien und Fahrzeuge“, trug der Erste Staatsanwalt Johannes Kienle vor. Tatorte seien unter anderem eine Tankstelle und ein Parkplatz am Engelberg gewesen. Bisweilen habe der Angeklagte Glück gehabt: Bei einer Lieferung aus den Niederlanden habe das Transportfahrzeug kurz vor der Grenze einen Motorschaden gehabt. Es habe abgeschleppt und repariert werden müssen. Die Drogen seien jedoch nicht entdeckt worden, da sie gut versteckt gewesen seien. Zudem sei ein Käufer von Marihuana kurz nach dem Deal in eine Verkehrskontrolle geraten, er habe aber ein ärztliches Attest für seinen Konsum vorlegen können.

Der Angeklagte gerät an einen zivilen Polizisten

Auf die Spur des Angeklagten kamen die Ermittlungsbehörden im August 2021, als dieser bei einer Boxveranstaltung im Allgäu an einen verdeckten Ermittler geriet, mit dem er in der Folge ein Geschäft gemacht habe. Bei einer Wohnungsdurchsuchung stießen Polizeibeamte im März dieses Jahres auf knapp 400 Gramm Kokain und 275 Gramm Marihuana in verschiedenen Behältnissen. Zudem hätten sie ein Messer, einen Schlagring und Pistolenmunition sichergestellt, hieß es in der Anklage weiter. Die Staatsanwaltschaft taxiert den Gesamtwert der gehandelten Drogen auf rund 360 000 Euro.

Der zweite Angeklagte war nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ein Abnehmer und Helfer des Leonbergers, der die Drogen vorwiegend zum Eigenkonsum verwendete. Ihm wirft die Anklagebehörde drei Fälle des unerlaubten Besitzes von Rauschgift, Handel und Beihilfe dazu vor. Er soll unter anderem im November 2020 von dem Leonberger drei Kilogramm Marihuana zum Preis von 27 000 Euro gekauft, bei sich gelagert und zum Teil weiterverkauft haben. Auf Kommission habe er zudem im Februar 2022 weitere zwei Kilogramm Marihuana gekauft, die er später für 7000 Euro weiterverkauft habe.

Allerdings seien ihm von unbekannten Einbrechern 400 Gramm aus dem Backofen gestohlen worden. Eben in diesem Backofen fand die Polizei bei einer Durchsuchung seiner früheren Wohnung in Wiernsheim (Enzkreis) rund 240 Gramm Marihuana.

Antrag auf Einstellung des Verfahrens

Keiner der beiden Angeklagten wollte sich am ersten Verhandlungstag zur Sache oder zur eigenen Person äußern. Dafür stellte Rechtsanwalt Bessler einen weiteren Antrag, das Verfahren einzustellen, da das Recht des Leonbergers auf ein faires Verfahren verletzt worden sei. Mit den Ermittlungen gegen ihn sei im Februar 2020 begonnen worden, erst im März dieses Jahres sei er festgenommen worden. „Sein gesamtes Lebensumfeld wurde über mehrere Jahre ausgespäht und ausgeforscht, weit über das erforderliche Maß hinaus“, monierte der Verteidiger.

Über diesen Antrag wird die 18. Große Strafkammer am nächsten Verhandlungstag am 19. Oktober entscheiden. Insgesamt sind acht weitere Verhandlungstage bis Anfang Dezember angesetzt. Das Urteil soll am 5. Dezember verkündet werden.