Vier Männer müssen sich wegen Nazi-Aktivitäten vor Gericht verantworten Foto: dpa

Unter massiver Polizeipräsenz hat am Donnerstag der Prozess gegen vier mutmaßliche Neonazis begonnen. Sie sollen Rädelsführer der Autonomen Nationalisten (AN) Göppingen sein.  

Stuttgart - „Er wird noch vor dem 12. Oktober tot sein.“ Ein Brief mit dieser Todesdrohung war 2013 bei einer Lokalzeitung in Göppingen eingegangen. Mit „Er“ ist ein Aktivist des Bündnisses Göppingen nazifrei gemeint. Der Mann wird in dem Brief namentlich genannt. Absender laut Anklage: die Autonomen Nationalisten Göppingen.

Vier Männer, die zu den Gründungsmitgliedern der rechtsextremen Gruppe gehören sollen, müssen sich seit Donnerstag vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts Stuttgart verantworten. Den 22, 28, 31 und 34 Jahre alten Männern wird die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Sie sollen unter anderem Beleidigungen, Bedrohungen, Sachbeschädigungen und Körperverletzungen begangen haben. Zwischen 2010 und 2013 sollen sie mit braunen Gesinnungsgenossen in Göppingen, Stuttgart, Kirchheim/Teck, Geislingen, Leonberg und Plochingen ihr Unwesen getrieben haben. Innenminister Reinhold Gall hat die AN Göppingen Ende 2014 verboten.

Der Zweck der AN Göppingen laut Staatsanwaltschaft: Das Bekenntnis zum Nationalsozialismus und der Kampf gegen das bestehende politische System. Ihre Basis sollen die knapp 20 brauen Gesellen in einem Keller in Eislingen gehabt haben. Dort seien die Aktionen – Aufmärsche, das Anbringen von Aufklebern mit Nazi-Parolen, Einschüchterungen von Gegnern, teils auch Prügelattacken, geplant worden.

In Stuttgart wird eine Frau als „Judenschlampe“ beschimpft, ein anderes Mal fällt die Beleidigung „Judensau“. Besagte Todesdrohung wird verschickt, sogenannte Stolpersteine, die an im Dritten Reich deportierte Menschen erinnern, werden beschmiert, bei einem Antifaschisten landet ein Bierglas im Gesicht, auf der Internetseite der AN Göppingen wird Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß verherrlicht.

Zwei der vier Angeklagten sind laut ihrer Anwälte inzwischen aus der rechten Szene ausgestiegen. Der Arbeiter und der Fliesenleger aus dem Raum Göppingen werden vor Gericht aussagen. „Sie sitzen zwischen allen Stühlen“, sagen ihre Verteidiger.

Zu Beginn des Prozesses, der bis Januar 2016 terminiert ist, stellt Verteidiger Steffen Hammer, der einst Sänger der rechten Band Noie Werte war, den Antrag, das Verfahren gegen seinen Mandanten einzustellen. Hammer vertritt einen 34-jährigen gelernten Koch, der fest mit der rechten Szene verhaftet scheint. Seinem Mandanten würden zwei Beleidigungen, Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz und acht Sachbeschädigungen vorgeworfen. Schaden laut Hammer: 5397 Euro. Dafür umfasse das Verfahren rund 19 000 Seiten Akten, würden 100 Zeugen geladen und seien 94 Prozesstage angesetzt. „Die Verfahrenskosten liegen bei einer Million Euro. Das steht in keinem Verhältnis“, so Hammer. Was der Anwalt unerwähnt lässt: Seinem Mandanten wird zudem die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Der Prozess wird am heutigen Freitag fortgesetzt.