Zwei 20-Jährige sollen bei einem Dealer Marihuana bestellt und diesen bei der Übergabe des Stoffes niedergestochen haben. Foto: dpa

Zwei 20-Jährigen wird vorgeworfen, im vergangenen September ihren mutmaßlichen Marihuana-Lieferanten in Denkendorf niedergestochen zu haben. Das Opfer hat am zweiten Verhandlungstag vor dem Landgericht Stuttgart ausgesagt.

Denkendorf - Acht Justizbeamte überwachen an diesem Donnerstagvormittag das Geschehen vor und im Saal 6 des Stuttgarter Landgerichts. Denn ungewöhnlich viele Zuhörer – vornehmlich Familienangehörige und Freunde der beiden Angeklagten – nehmen in den Zuhörerreihen Platz, um den Prozess vor der 3. Großen Jugendstrafkammer zu verfolgen. Darin müssen sich zwei 20-Jährige verantworten, denen gemeinschaftlich begangener versuchter Mord, versuchter Raub und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen werden. Sie sollen am frühen Morgen des 2. September im vergangenen Jahr in Denkendorf auf einen ebenfalls 20-jährigen Dealer eingestochen und -getreten haben, um ihm Marihuana abzunehmen, das sie zuvor bei ihm bestellt hatten.

Marihuana im Wert von 500 Euro bestellt

Den mutmaßlichen Rauschgifthändler scheint die Kulisse nicht zu beeindrucken. Er antwortet ausführlich auf die Fragen des Vorsitzenden Richters Joachim Holzhausen und beschönigt dabei auch nicht, sich auf ein Rauschgiftgeschäft mit den Angeklagten eingelassen zu haben. Bereits eine Woche zuvor sei es bei einem Treffen am Kreuzbrunnen im Ostfilderner Stadtteil Scharnhauser Park angebahnt worden. Der ihm flüchtig bekannte 20-Jährige habe bei ihm Marihuana im Wert von 500 Euro geordert. In jener Nacht habe der „Kunde“ dann angerufen, um einen Treffpunkt zur Abwicklung des Geschäfts zu vereinbaren. Man habe sich auf die Rechbergstraße in Denkendorf geeinigt, weil das spätere Opfer dort zusammen mit zwei weiteren jungen Männern einen Freund in unmittelbarer Nähe zum Übergabeort besucht hatte, um mit ihnen am Computer zu zocken. Der letzte von drei Anrufen um 4.48 Uhr habe ihm dann signalisiert, dass der Kunde nun unten auf ihn warte.

Einer der Freunde habe ihn die wenigen Schritte dorthin begleitet. Sie hätten die beiden Angeklagten angetroffen, man habe sich per Handschlag begrüßt und er habe gefragt, ob sie das Geld dabei hätten. Das sei noch bejaht worden, aber unmittelbar darauf „habe ich ein Messer am Hals gehabt“. Er habe die Hand mit dem gefährlichen Werkzeug weggeschlagen, worauf ihm die Klinge von hinten ins Schulterblatt gestoßen und gleichzeitig vom anderen Angeklagten auf ihn eingeschlagen worden sei. In dem Moment, als die Waffe – laut dem Zeugen „vermutlich ein Butterflymesser“ – ins Spiel gekommen sei, sei sein Freund davon gerannt, sagt das Opfer im Zeugenstand aus.

Für ihn sei die Tortur indes noch nicht beendet gewesen. Er sei zu Boden gegangen und dort weiterhin mit Tritten malträtiert worden. Weitere Messerstiche in Richtung Oberkörper habe er mit den Füßen abwehren wollen, wodurch er schwere Schnitt- und Stichverletzungen an den Beinen erlitten habe. In dem Moment sei ein dritter Täter aufgetaucht, der die beiden Angreifer eher habe beruhigen wollen und ihn dann nach dem Marihuana abgetastet habe. Freilich habe er nichts finden können, denn er habe es für die Übergabe woanders deponiert und nicht am Körper getragen: „Das ist so üblich, das hätten die eigentlich wissen müssen.“ Ihm seien am Boden liegend zwei weitere Stiche in die Brust zugefügt worden, ehe das Trio davon gerannt sei. Kurz danach habe er ein Auto mit quietschenden Reifen davonrasen gehört.

Der dritte Täter ist unbekannt

Der dritte Täter, den der Zeuge im Gegensatz zu den beiden von ihm auch im Gerichtssaal identifizierten Angeklagten nicht beschreiben kann, ist nach wie vor unbekannt. Er habe dann selbst die Polizei angerufen und sich noch bis zum Hauseingang zur Wohnung seines Freundes geschleppt, berichtet der 20-Jährige. Die Rettungskräfte brachten ihn in ein Krankenhaus, wo eine Notoperation sein Leben rettete. Denn ihm war mit dem Messer unter anderem eine lebensgefährliche Lungenverletzung zugefügt worden. Noch heute leide er physisch und psychisch erheblich unter der Tat.

Zunächst hatte das Opfer der Polizei gegenüber geschwiegen. Die Beamten seien ihm „schief gekommen“, sie hätten ihm, dem Dealer, die Schuld am Geschehen geben wollen. Erst einige Tage später hab er sich vernehmen lassen. Die beiden Angeklagten schweigen bis jetzt zu den Vorwürfen, wollen sich aber möglicherweise später einlassen. Der Prozess wird fortgesetzt.