Beim Prozess gegen Gang-Mitglieder tragen auch Opfer Handschellen Foto: dpa

Die Vorgänge rund um eine Fehde zwischen Straßenbandenmitgliedern sind skurril: Beim Prozess vorm Landgericht Stuttgart musste das Opfer einer Messerattacke aus der Untersuchungshaft vorgeführt werden.

Die Vorgänge rund um eine Fehde zwischen Straßenbandenmitgliedern sind skurril: Beim Prozess vorm Landgericht Stuttgart musste das Opfer einer Messerattacke aus der Untersuchungshaft vorgeführt werden.

Stuttgart/Esslingen - Dass ein Opfer in Handschellen vorgeführt wird, sieht man beim Landgericht Stuttgart auch nicht alle Tage. Doch beim Prozessauftakt am Dienstag bei der 4. Großen Jugendstrafkammer, wo den beiden mutmaßlichen Tätern versuchter Mord durch Messerstiche vorgeworfen wird, kam selbst der Geschädigte direkt aus der Untersuchungshaft. Ihm wird vorgeworfen, im März in eine andere Messerstecherei verwickelt gewesen zu sein.

Auslöser für die Verhaftungen ist die Fehde zwischen den Straßengangs Black Jackets und der mittlerweile von Innenminister Reinhold Gall (SPD) verbotenen kriminellen Vereinigung Red Legion, die sich bis heute fortsetzt. Das Opfer soll am 7. Oktober 2013 von dem 19-jährigen Angeklagten und Mitglied der Red Legion am Bahnhof Esslingen mit einem Messer in die Brust gestochen worden sein, konnte sich jedoch in eine Bahnhofskneipe retten. Dafür wollte sich der Mann rächen und wurde mutmaßlich selbst zum Täter: In einer Kneipe kam es im März zu einem Streit mit einem Black-Jacket-Angehörigen. Dabei wurde eine andere Person schwer verletzt, die keiner Gang zugehörte. Die Gründe werden derzeit in einem weiteren Verfahren ermittelt.

Die beiden aktuell Angeklagten sind 19 und 23 Jahre alt. Während der 19-Jährige hartnäckig schwieg, erstattete der 23-Jährige Bericht. Ihm wird vorgeworfen, den mutmaßlichen Haupttäter zum Messerstechen angestachelt zu haben. Diese Redefreude ist erstaunlich, zumal sich die Banden bei zwei vorangegangenen Mammutprozessen aufs Schweigen geeinigt hatten. Nur einer machte eine Ausnahme und wurde dafür in der Untersuchungshaft brutal zusammengeschlagen. Daraufhin war auch er verstummt.

Wie üblich bei Konflikten zwischen den Black Jackets und der Red Legion zeigten sich Opfer, Angeklagte und Zuschauer auch vor der Jugendkammer unbeherrscht. „Komm doch her, du Hund!“, brüllte das 18-jährige Opfer, weil der 23-Jährige Angeklagte ihm Feigheit vorgeworfen hatte. die Sitzung musste unterbrochen werden. Nachdem der Provokateur in dieser Sitzungsunterbrechung gegenüber Polizeibeamten Verwünschungen ausgestoßen haben soll, verschärfte Richterin Cornelie Eßlinger-Graf die Sicherheitsvorkehrungen: 22 Beamten bewachten die Angeklagten, das Opfer sowie fünf Black Jackets, die sich im Publikumsreihen aufhielten.

Die Rivalität der beiden Gangs erreichte ihren Höhepunkt im Dezember 2012, als ein Mitglied der Black Jackets von mutmaßlichen Mitgliedern der Red Legion erstochen wurde. Der Prozess läuft noch.

Die Stuttgarter Black Jackets gerieten bereits 2009 ins Visier der Justiz, als sie eine Gruppe Männer im Hof der Waisenhofschule Esslingen überfallen und einen ins Koma geprügelt hatten. Der 23-jährige Angeklagte wurde schon damals zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt.