Seit Dezember läuft der Prozess vor dem Oberlandesgericht Stuttgart um die Schüsse auf eine Shisha-Bar in Plochingen. Foto: Simone Weiß

Die Schüsse auf eine Shisha-Bar in der Nähe des Plochinger Bahnhofs geben Rätsel auf. Zwei 23-Jährige müssen sich wegen des Vorwurfs der Beteiligung vor dem Oberlandesgericht Stuttgart verantworten. Nun äußerte sich einer der beiden in einem Brief zum Tathergang.

Eine Überraschung brachte der zweite Verhandlungstag im Prozess wegen der Schüsse auf eine Shisha-Bar in der Nähe des Plochinger Bahnhofs im April 2022. Eigentlich wollten die beiden in Haft befindlichen Angeklagten keine Angaben zur Person oder zur Sache machen. Doch dann wurde im Gerichtsgebäude bei der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim der Brief eines der beiden 23-Jährigen zum Tathergang verlesen.

 

Dieser junge Mann war am 17. Mai vergangenen Jahres, so die Aussage eines Justizvollzugsbeamten im Zeugenstand, sehr aufgewühlt und niedergeschlagen gewesen. Denn seine Verlobte habe ihm kurz davor während eines Haftbesuchs mitgeteilt, dass sie Schluss machen wolle: „Seine Verlobte ist für den Angeklagten der Mittelpunkt seines Lebens.“ Nach ihrem Besuch habe der junge Mann im Gefängnis laut gerufen: „Ich habe genug. Mir reicht es. Ich sage aus. Ich lasse mir meine Familie nicht kaputt machen.“ Aus Sicherheitsgründen und um eine Bedrohung durch Mithäftlinge zu verhindern, so der Justizvollzugsbeamte, habe er dem 23-Jährigen angeboten, sein Anliegen in einem Brief niederzuschreiben, der an die Anstaltsleitung weitergeleitet werde.

Schweigegeld wird angeboten

In einem separaten Raum habe der Angeklagte dann ein mehrseitiges Schreiben verfasst und sich in einem längeren Gespräch zu seiner Situation geäußert. Während dieser Unterhaltung, so der Beamte, habe der 23-Jährige gesagt, dass ihm über die Mauern des Gefängnisses Drohungen im Falle einer Aussage zugerufen worden seien. Auch seien ihm auf gleichem Wege 30 000 Euro versprochen worden, wenn er den Mund halten und keine Angaben machen würde.

Doch der junge Mann ließ sich nicht einschüchtern und verfasste den Brief, der während der Verhandlung verlesen wurde. Der Angeklagte gibt in dem Schreiben an, er habe sich am Abend vor der Schussabgabe in Plochingen in einer Bar in Salach im Kreis Göppingen mit Freunden getroffen. Anschließend seien sie nach Göppingen gefahren, und dort habe er einem Kumpel seine Autoschlüssel geliehen. Es sei ein guter Freund gewesen, den er seit vier Jahren kenne und mit dem er auch schon in den Urlaub gefahren sei. Dann soll der Angeklagte nach eigenen Angaben nach Hause gefahren sein und sich ins Bett gelegt haben. Sein Freund habe ihm die Autoschlüssel später zurückgegeben. Als er von der Polizei verhaftet wurde, so der Angeklagte, sei ihm zunächst gar nicht klar gewesen, was ihm zur Last gelegt werde.

Der Angeklagte soll gegenüber dem Beamten zudem angegeben haben, dass er Mitglieder der beiden rivalisierenden multiethnischen Gruppen kenne, die sich seit Monaten Schusswechsel in den Regionen Stuttgart und Göppingen liefern. Er selbst würde da aber nicht mitmachen, da er nicht gefährden wolle, was er sich bisher in seinem Leben aufgebaut habe. Sein Anwalt, so soll der Angeklagte gegenüber dem Beamten weiter gesagt haben, hätte ihm von einer Aussage abgeraten. Ihm könne nur nachgewiesen werden, dass sein Auto bewegt wurde, aber nicht, wer am Steuer gesessen habe. Die Folgen seiner Aussage und mögliche Racheakte von an den Schießereien Beteiligten seien ihm egal, soll der junge Mann weiter von sich gegeben habe.

Bei der Schussabgabe auf drei Personen in einer Shisha-Bar in Plochingen aus einem fahrenden Auto heraus war der Wirt mit zwei Streifschüssen am Rücken verletzt worden.