Ein Physiotherapeut hat Blanko-Vorlagen mit erfundenen Daten ausgefüllt. Foto: mauritius

Er hatte Stempel von Arztpraxen und Unterschriften von Patienten gefälscht – und die vermeintlichen Verordnungen bei Krankenkassen abgerechnet. Ein Physiotherapeut kam glimpflich davon – auch wenn das Gericht „hohe kriminelle Energie“ erkannte.

Ludwigsburg - Die Aussicht auf mehr Geld war für ihn offenbar zu verlockend: Nun ist ein 47 Jahre alter Physiotherapeut aus einer Strohgäu-Kommune für seine unlauteren Geldbeschaffungsmethoden zu einem Jahr und zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Das Amtsgericht in Ludwigsburg sah es am Mittwoch als erwiesen an, dass der Mann zwischen Juli 2012 und November 2014 etwa 400 Rezepte von Ärzten gefälscht und damit einen Schaden in Höhe von rund 90 000 Euro verursacht hat. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautete auf Urkundenfälschung sowie Betrug in 30 Fällen, davon wog einer besonders schwer; bei einem Fall sei es lediglich ein versuchter Betruges gewesen.

Er war für jede Idee dankbar

Der Mann galt als ein renommierter Physiotherapeut, seit 1997 hatte er eine eigene und gut gehende Praxis. Doch dann kam die Scheidung, die ihn zunächst in finanzielle Nöte gestürzt habe. Auch seine Eltern, so berichtete er im Prozess, hätten es ihm nicht gerade leicht gemacht, sondern sich sogar vor seiner Praxis postiert und den Patienten zu verstehen gegeben, sie sollten sich dort nicht mehr behandeln lassen. Aus dieser misslichen Situation heraus war der heute 47-Jährige offenbar für jede Idee zur schnellen Geldbeschaffung offen. Eine solch vermeintlich grandiose Idee sei schließlich von einer ehemaligen Mitarbeiterin gekommen: Er solle doch einfach Rezepte fälschen, Verordnungen von Ärzten fingieren und damit nicht geleistete Behandlungen abrechnen, habe sie ihm irgendwann vorgeschlagen. Die Blanko-Rezeptformulare habe er sogar von der Mitarbeiterin selbst erhalten.

Er habe diese Möglichkeit damals als „letzten Strohhalm“, als Ausweg aus seiner hilflosen Lage gesehen. In seiner hausgemachten „Fälscherwerkstatt“ im Keller habe der Mann die Stempel von Arztpraxen eingescannt, dann auf die Blanko-Rezeptformulare gedruckt sowie die Unterschriften der Patienten gefälscht, berichtete ein Kripobeamter vor Gericht. Teilweise seien die Namen von Patienten einfach den Ärzten zugeordnet worden, teils habe der Mann Behandlungen für Patienten erfunden, die er nie erbrachte. Insgesamt wurden auf diese Weise 37 Krankenkassen betrogen, 13 Ärzte im ganzen Landkreis waren betroffen. Dabei lag die Schadenshöhe der einzelnen Rezepte bei Beträgen zwischen etwa 190 und 7800 Euro.

„Anstifterin“ zeigt ihn bei der Polizei an

Auf die Schliche gekommen sind ihm die Ermittler schließlich, weil genau jene Mitarbeiterin, die ihn auf die kriminelle Idee gebracht haben soll, und die der Angeklagte selbst in der Verhandlung als „Anstifterin“ bezeichnete, ihn bei der Polizei Markgröningen anzeigte, um auf die „Missstände in der Praxis“ aufmerksam zu machen. Die Frau war am Mittwoch zwar als Zeugin geladen, das Gericht verzichtete allerdings auf ihre Vernehmung.

Weil der Mann von Anfang an „ein vollumfängliches Geständnis“ abgelegt hatte, keine Vorstrafen hat und die Taten schon entsprechend lange zurückliegen, forderte die Staatsanwältin eine „straffe Zusammenfassung“ der anzusetzenden Strafe. Diese könne für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt werden. „Wäre die Sache früher verhandelt worden, hätte es ganz anders für Sie ausgesehen“, ermahnte die Staatsanwältin den inzwischen in einer Anstellung arbeitenden Physiotherapeuten. Gegen den Mann spreche allerdings die erhebliche Anzahl an gefälschten Rezepten, eine erhebliche kriminelle Energie sowie der hohe Schaden, den er durch seine Betrügereien verursacht habe.

Richterin sieht kriminelle Energie

Die Richterin folgte dem Antrag der Staatsanwaltschaft, verurteilte den 47-Jährigen allerdings zusätzlich noch zu 80 Stunden gemeinnütziger Arbeit. Diese soll er nach dem Willen des Gerichts in der Bewährungshilfe in Stuttgart ableisten. Auch die Richterin lobte in der Urteilsbegründung die Bereitschaft des Physiotherapeuten zu einem umfassenden Geständnis, wodurch er der Kammer immerhin einen hohen Zeitaufwand für Recherchen und Zeugenvernehmungen erspart habe. Zudem habe er bereits damit begonnen, den entstandenen Schaden zurückzubezahlen. Gleichwohl bescheinigte die Richterin dem Verurteilten eine „nicht unerhebliche kriminelle Energie“.