Der Krieg und seine Folgen haben die syrische Wirtschaft zerstört. Die Zeche zahlt die Bevölkerung, kommentiert Nahost-Korrespondent Thomas Seibert.
Die neue Protestwelle in Syrien gegen Präsident Assad ist ein Aufschrei der Verzweiflung. Viele Menschen können nach mehr als zwölf Jahren Krieg und Verwüstung ihre Familien nicht mehr ernähren, während Assad und seine Führungsclique im Luxus schwelgen. Der Präsident hat den mehr als 10-jährigen Krieg gegen die Opposition mit Brutalität gegen das eigene Volk und mit der Hilfe von Russland und des Iran militärisch gewonnen – und ist inzwischen in einigen Ländern wieder hoffähig. Er sieht keinen Grund, irgendetwas zu ändern. Assad und seine Vertrauten profitieren vom milliardenschweren Drogenexport in arabische Nachbarländer und zweigen einen Teil der UN-Hilfslieferungen für das Land für sich ab.
15 Millionen Menschen sind auf Hilfslieferungen angewiesen
Der Krieg und internationale Sanktionen haben die syrische Wirtschaft zerstört. Die Zeche zahlt die Bevölkerung: 15 Millionen Menschen sind auf Hilfslieferungen angewiesen. Weil viele kaum genug Geld zum Überleben haben, reicht eine Benzinpreiserhöhung wie vor einigen Wochen, um neue Proteste auszulösen. Wenn sich die Unruhen ausbreiten sollten, wird Assad nicht zögern, die Demonstranten zu „Terroristen“ zu stempeln und seinen Soldaten und Polizisten den Schießbefehl zu geben. Er hat bisher noch jeden Aufstand niederschlagen lassen.
Doch Assads Herrschaft zeigt Risse, die es in den vergangenen Jahren nicht gab. Wirtschaftskrise und Korruption machen inzwischen auch Bürgern in der alawitischen Minderheit zu schaffen, die eine Säule der Macht für den Präsidenten sind. Eine neue Protestbewegung will gezielt diese Teile der Bevölkerung ansprechen, um Druck für Veränderungen aufzubauen. Dass das gelingt, ist angesichts von Assads Unterdrückungsapparat unwahrscheinlich – aber dass es Syrer gibt, die es nach mehr als einem Jahrzehnt von Krieg und Zerstörung trotzdem versuchen, zeigt, dass der Präsident immer Angst vor dem eigenen Volk haben muss.