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Der Bund der Vertriebenen war Hartmut Bernecker schon immer ein Dorn im Auge, obwohl er selbst aus dem ostpreußischen Königsberg stammt.

Bietigheim-Bissingen - Der Bund der Vertriebenen war Hartmut Bernecker schon immer ein Dorn im Auge, obwohl er selbst aus dem ostpreußischen Königsberg stammt. Jetzt sucht der 71-jährige Wahl-Bietigheimer Mitstreiter für einen "Wahren-Vertriebenen-Verband", so der Arbeitstitel.

Auslöser für den Aufruf im Internet war der jüngste Kompromissvorschlag von BdV-Chefin Erika Steinbach im Streit um die Besetzung des Beirates der Stiftung zur Aufarbeitung der Vertreibungen. Steinbach will wegen des Widerstands von Außenminister Guido Westerwelle keinen Sitz mehr beanspruchen, wenn der BdV dafür mehr als bisher drei Sitze bekommt und der Bund auch kein Veto mehr gegen einen Nominierten einlegen kann. Für Hartmut Bernecker ein Unding. "Eine, die auf gar nichts verzichten kann, will verzichten, um mehr Hardliner in den Beirat zu bekommen", sagt Bernecker. Da höre der Spaß auf. Wenn er Mitglied im BdV wäre, würde er nun austreten, wie es seine Eltern und andere Verwandte schon vor Jahrzehnten getan hätten. Stattdessen will der 71-Jährige ein Zeichen setzen und selbst einen Verband aus der Taufe heben, für den er drei Sitze in der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung fordert. Das Wort Vertriebene soll im Namen eher nicht vorkommen, sagt Bernecker: "Der Begriff ist heute nicht mehr ganz passend."

Bernecker selbst, 1938 in Königsberg an der Ostsee geboren, das heute zu Russland gehört, wurde bereits 1944 mit Eltern und Geschwistern aus Blumstein im Bezirk Elbing evakuiert. Andere Deutsche hatten die Flucht organisiert, weshalb Bernecker nach dem Krieg nicht mehr vertrieben werden konnte - aber auch nicht zurückkehren. Nach eigenen Angaben zählt er nach der Definition des BdV auch zu den Vertriebenen.

Über Sachsen und Thüringen gelangte die Familie ins Oldenburger Münsterland, Bernecker selbst 1968 durch seine Frau nach Bietigheim-Bissingen. Kontakte in die frühere Heimat knüpfte er schon vor Jahrzehnten, auf dem ehemaligen Hof des Großvaters war er mehrmals. "Ich wurde so was von gastfreundlich empfangen, das war schon nicht mehr normal", erinnert sich Bernecker. Auf die Idee, den Hof zurückhaben zu wollen, kam er nie.

"Es gibt keine Ansprüche mehr, die man erheben könnte", sagt Hartmut Bernecker klipp und klar, "und die heutigen Grenzen sind auch nicht mehr zu diskutieren." Die erste Handvoll Gleichgesinnter für seinen Verband gegen die "Vorgestrigen", wie das Vorstandsmitglied der Linken im Raum Bietigheim die erste BdV-Riege nennt, hat sich in dieser Woche schon gemeldet. Bernecker hofft auf tausend, um sich auch in Berlin Gehör zu verschaffen. Außerdem glaubt er: "Das wären schon mehr, als der BdV hat." Der Bund der Vertriebenen beziffert seine Mitgliederschaft zwar eher auf zwei Millionen, aber - sagt Hartmut Bernecker süffisant - "die zählen ja sogar Leute wie mich zu ihren Mitgliedern".