CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Maag sieht im neuen Prostitutionsgesetz eine Chance für Stuttgart, die illegale Prostitution wirksam zu bekämpfen Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Die Stuttgarter CDU -Bundestagsabgeordnete Karin Maag hat sich in Berlin stark für eine Reform des Prostitutionsgesetzes gemacht. Sie ist überzeugt, dass sich dadurch auch in Stuttgart illegale Prostitution wirksam bekämpfen lässt.

Stuttgart - Frau Maag, waren Sie schon mal im Stuttgarter Rotlichtviertel?
Ich bin mit Ordnungsbürgermeister Martin Schairer von 23 Uhr bis zum frühen Morgen durchs Viertel gezogen, war unter anderem in einem Bordell und habe mir aus weiteren Abstechern ein Bild machen können. Informativ war auch mein Besuch im La Strada, der Anlaufstelle für Prostituierte im Viertel.
Was haben Sie bei Ihrem Streifzug erlebt?
Je später es wurde, desto mehr sind die Preise für den Sex gefallen. Der reguläre Preis liegt in Stuttgart bei 30 Euro. Gegen 2 Uhr haben die Freier den Lohn der Frauen auf acht Euro gedrückt. Das ist Ausbeutung, und das wissen die Männer auch. Deshalb muss das Strafgesetz so geändert werden, dass solche Freier belangt werden können.
Zunächst wird jetzt das Prostitutionsgesetz reformiert. Was ändert sich genau?
Alle Prostitutionsstätten und Betreiber brauchen eine behördliche Erlaubnis. Bislang mussten die Behörden einen konkreten Anlass haben, um Bordelle zu kontrollieren. Jetzt können die Betriebe jederzeit überprüft werden. So weiß man, was in einem Haus passiert. Soll ein Bordell eröffnet werden, muss der Betreiber nachweisen, dass er nicht einschlägig vorbestraft ist.
Was bedeutet das für Stuttgart?
Die Ordnungsbehörden können im Bordell überprüfen, ob Anhaltspunkte für Menschenhandel und Zwangsprostitution bestehen. Gegebenenfalls kann der Betrieb geschlossen werden. Gehen die Frauen eines Betriebs auf der Straße auf Freier-Suche, was nicht nur im Leonhardsviertel, sondern in der gesamten Innenstadt verboten ist, kann dem Bordellbetreiber ebenfalls die Genehmigung entzogen werden. Die Stadt hat durch die Reform wesentlich größere Zugriffsmöglichkeiten, um illegale Prostitution zu unterbinden.
Stehen die illegalen Bordelle im Rotlichtviertel damit kurz vor dem Aus?
Wie gesagt, durch die Reform hat Ordnungsbürgermeister Schairer größere Zugriffsmöglichkeiten auf illegale Betriebe. So langwierige Prozesse wie um die Schließung zweier Bordelle in der Leonhardstraße wird es nicht mehr geben. Eines hat vor kurzem dichtgemacht. Vielleicht ist das schon eine erste Reaktion auf die Reform.
Wann greift die Gesetzesänderung?
Theoretisch vom 1. Juni an. Vermutlich wird es etwas länger dauern, bis alles perfekt ist. Doch der Zeitrahmen ist überschaubar. Bis Jahresende soll auch das Strafrecht so geändert sein, dass Freier, die Frauen ausbeuten, belangt werden können.
Was muss die Stadt tun, um beim Wirksam-Werden des Gesetzes loslegen zu können?
Ganz wichtig ist die Bestandsaufnahme der Rotlichtbetriebe in und rund ums Leonhardsviertel. Es muss geklärt sein, wie viele Bordelle und Laufhäuser tatsächlich vorhanden sind, wer sie betreibt, welche Häuser Bestandsschutz haben und welche nicht. Derzeit gibt es ein Sammelsurium von Etablissements mit ungeklärtem Rechtsstatus.
Was ist Ihnen bei der Reform am wichtigsten?
Mir geht es vor allem um den Schutz der Frauen. Das Gesetzt heißt ja auch Gesetz zum Prostituiertenschutz. Durch die neue Pflicht der Frauen, sich in einem geschützten Bereich wie dem Gesundheitsamt medizinisch beraten zu lassen, hat der Arzt die Möglichkeit, darauf hinzuweisen, dass Zuhälter bei der Polizei angezeigt werden können. Und er kann Möglichkeiten aufzeigen, aus dem Gewerbe auszusteigen.
Kritiker behaupten, es gehe statt um Schutz um Kontrolle wie zum Beispiel bei der persönlichen Meldepflicht für Prostituierte.
Auch die Meldepflicht dient dem Schutz Derzeit weiß keiner, wie viele Prostituierte tatsächlich in Stuttgart arbeiten. Durch die Meldepflicht verschwinden die Frauen nicht mehr einfach auf dem Weg durch die Bordelle Europas. Im Kampf gegen die Zwangsprostitution ist die persönliche Meldepflicht unerlässlich. Außerdem werden auch Gelegenheitsprostituierte erfasst und müssen Steuern zahlen. Das macht das Gewerbe unattraktiver.
Werden Zuhälter Zwangsprostituierte nicht zur Anmeldung zwingen?
Dass lässt sich nicht ausschließen. Aber es geht darum, die illegale Prostitution so weit wie möglich einzudämmen. Beim verbindlichen Termin ohne Zuhälter können sie sich offenbaren. Die eine oder andere Zwangsprostituierte bekennt sich dann eventuell doch zu ihrer Situation, so dass der Zuhälter belangt werden kann.
Kritiker des Gesetzes machen sich über die Kondompflicht lustig. Zu Recht?
Ja, ja! Auch Baden-Württembergs Sozialministerin Katrin Altpeter hält das für Unsinn. Aber es geht nicht darum, die Kondompflicht zu überwachen. Es geht darum, Bordellbetreiber belangen zu können, die keine Kondome vorhalten. Und es geht darum, den Frauen ein Argument zu geben, gegenüber den Freiern auf dem Benutzen von Kondomen zu beharren.
Besteht bei der Reform nicht die Gefahr, dass die Prostitution aus dem Leonhardsviertel in andere Stadtteile abwandert?
Die Gefahr besteht immer. Aber wir wollen Prostitution ja nicht generell verbieten, sondern sie kontrollierbar machen.
Was halten Sie von OB Kuhns Konzept ?
Er will die Hälfte aller Bordelle schließen. Das ist ein Anfang, und es wäre ein großer Erfolg, wenn das gelingt. Allerdings müssen jetzt echte Angebote für ausstiegswillige Frauen folgen. Ich denke an psychologische Beratung. Viele Frauen sind durch ihre Tätigkeit traumatisiert. Auch muss Wohnraum zur Verfügung gestellt werden, damit sie nicht wieder in die Prostitution geraten.
Mit einer Kampagne auch an Stuttgarter Schulen sollen die künftigen Freier zum Nachdenken gebracht werden. Wie realistisch ist das?
Ich befürchte, dass der Schuss nach hinten losgehen könnte, junge Männer neugierig werden und käuflichen Sex ausprobieren wollen. Aktionen mit Großplakaten, die alle Altersgruppen erreichen, wie zum Beispiel früher bei der Aids-Kampagne, halte ich für vielversprechender.