Golferin Aline Krauter (re.) und ihr Bruder Tim. Foto: LET/Tristan Jones

Die Stuttgarter Golferin Aline Krauter tritt in diesem Jahr auf der hochklassigen LPGA-Tour an. Und hat dabei einen ganz besonderen Caddy an ihrer Seite.

Kürzlich war Aline Krauter mal wieder auf Heimatbesuch. Ein kleiner Zwischenstopp in Stuttgart und in Esslingen bei der Familie – der etwas länger dauerte als geplant. Es war ein wenig kompliziert mit dem Reisepass und einem neuen Visum. „Eigentlich“, sagt die 23-Jährige bei einem Kaffee in der Stuttgarter City, „hätte ich nun in Kapstadt spielen sollen.“ Stattdessen ging die Reise ein wenig später weiter Richtung Singapur, der weitere Reiseplan sieht nun Arizona in den USA vor. Wo endlich der Startschuss fällt.

 

Europa, Afrika, Asien, Amerika – Aline Krauter hantiert mit den Kontinenten wie andere mit Ideen für Frühstück, Mittagessen und Vesper. Aber sie ist das ja auch gewohnt. Zum einen, weil sie schon früh ihr Zuhause verließ, um in den USA die Highschool zu besuchen. Zum anderen, weil es ihr Sport so vorgibt. Aline Krauter ist Golferin, seit einem Jahr Profi – und in diesem Jahr erstmals startberechtigt für die höchste Liga, in der die Frauen spielen können.

Von diesem Donnerstag an spielt sie auf der LPGA-Tour der Ladies Professional Golf Association. „Sich hier zu etablieren“, sagt sie, „ist richtig schwierig.“ Allerdings ist sie recht sicher, dass sie dieses Ziel erreichen kann – und noch viel mehr: „Ich traue mir zu, irgendwann einmal auch ein LPGA-Turnier zu gewinnen.“

Das sind forsche Töne zum Start in eine Welt, die Aline Krauter bislang nur sporadisch kennengelernt hat – zum Beispiel bei einem Major-Turnier im französischen Evian, das sie im vergangenen Jahr auf Einladung spielte. Aber sie hat sich eben auch durchgesetzt in der anspruchsvollen Q-School, den drei Qualifikationsrunden für die LPGA-Tour. Und die bisherige Zeit in den Vereinigten Staaten hat das Selbstvertrauen der Golferin auch nicht gerade schwinden lassen.

Studium an der Stanford University

Mit 15 Jahren ging sie auf ein Internat in den USA, um Sport und Schule besser vereinbaren zu können. Danach ging es an die Stanford University. An jenes College also, das einst auch Golf-Ikone Tiger Woods besuchte. Der Gipfel der Parallelitäten: Sie wohnte am Campus im gleichen Zimmer wie einst der Superstar.

Diese Geschichte wurde oft erzählt – nun will Aline Krauter, die auch für den Stuttgarter Golfclub Solitude spielt, eine neue schreiben. Und ist dabei nicht allein. Denn wenn sie in diesem Jahr über die Golfplätze dieser Welt spaziert, ist ein Familienmitglied immer an ihrer Seite.

Aline Krauters dreieinhalb Jahre älterer Bruder Tim hat ebenfalls in den USA studiert und in den vergangenen vier Jahren erfolgreich in der Finanzbranche gearbeitet. Nun allerdings macht er eine Pause, „jetzt“, scherzt die kleine Schwester, „arbeitet er für mich“. Als Caddy.

Wer in der LPGA antritt, darf nicht mehr ohne diesen im Golfsport so wichtigen Helfer auf den Platz. Dass sich aus dieser Pflicht heraus nun diese ganz besondere Konstellation ergeben hat, ist für Aline Krauter ein Glücksfall. „Wir verstehen uns außerordentlich gut“, sagt sie über das Verhältnis zu ihrem Bruder, „ihn in meinem ersten Jahr auf der LPGA dabei zu haben, gibt mir ein gutes Gefühl.“ Zumal Tim Krauter lange Zeit ebenfalls erfolgreich den Golfschläger geschwungen hat.

Nun gibt er den Ratgeber, der weit mehr ist als Träger des Golfbag. Wie steht der Wind? Wie lange muss ein Schlag sein? Welcher Schläger ist der richtige? Wie ist ein Loch im besten Fall zu spielen? Welche Informationen benötigt der Golfer oder die Golferin? Ein Caddy kann eine große Rolle spielen. Umso wichtiger ist das gegenseitige Vertrauen. Das bei Aline und Tim Krauter kaum größer sein könnte. „Er kennt mein Spiel sehr gut“, sagt die 23-jährige Aline, „und er ist ein sehr sachlicher Mensch.“ Stress kann es dennoch ab und an geben. „Aber“, versichert die Golferin, „das wird bei uns nie zu einem längerfristigen Problem.“ Zumal der Bruder ja nicht der Einzige ist, der mit der Schwester an deren Spiel arbeitet.

Vertrag mit Sportfive

Es gibt den US-amerikanischen Trainer Andrew Rice, zu dem Aline Krauter regelmäßig reist. Es gibt den deutschen Bundeskader, der sich immer wieder trifft. Und es gibt den „TrackMan“, ein kleines elektronisches Gerät, das die Bewegungen der Sportler aufzeichnet und die Daten digital aufbereitet und der Analyse dient. Zu den Teilen, aus denen sich das Puzzle einer Profikarriere im Golf zusammensetzt, gehört für Aline Krauter seit kurzem auch die Vermarktungsagentur Sportfive, bei der die Stuttgarterin nun unter Vertrag steht.

Alles zusammen soll nun dazu führen, dass sich Aline Krauter auf der LPGA-Tour festspielen kann. Dass von dieser Basis aus weitere Ziele Realität werden, etwa die Teilnahme an Olympischen Spielen oder am Solheim Cup – dem weiblichen Pendant des Ryder Cup. Und dass sie beim nächsten Heimatbesuch noch viel mehr zu erzählen hat.