Sonja Spohn, Rektorin des Mörike-Gymnasiums, sagt, dass die Nachfrage nach einer evangelisch geprägten Realschule groß ist. Foto: Achim Zweygarth

Der Bildungsmarkt in Stuttgart ist umkämpft. Drei private Realschulen machen den öffentlichen Konkurrenz.

S-Süd - Weniger Kinder, mehr Bildungsangebote – die Entwicklung im Süden scheint paradox. Doch gerade die privaten Schulen bauen aus, insbesondere im Realschulbereich. Der Internationale Bund wie auch das evangelische Mörike-Gymnasium planen zum kommenden Schuljahr einen Realschulzug, die Torwiesenschule mit ihrem gemeinsamen Unterricht für behinderte und nichtbehinderte Kinder hat seit diesem Schuljahr bereits die erste fünfte Real- und Hauptschulklasse in Betrieb.

Eine Entwicklung, die Jochen Schmidt-Rüdt, der Schulleiter der Heusteigschule, mit Sorge beobachtet. Sein Kollege Richard Haag, der Schulleiter der Schickhardt-Realschule, sieht das ähnlich: „Wir werden damit leben. Doch ob der Ausbau der Privatschulen der Sozialentwicklung gut tut, das muss man sich fragen.“ Dorothea Grübel, die Schulleiterin der Lerchenrainschule, geht davon aus, dass die Werkrealschulen langfristig bestehen werden. „Wir machen gute Arbeit, davon müssen wir die Eltern überzeugen“, sagt Grübel.

Ohne Grundschulempfehlung entscheiden die Eltern allein

Mit dem Wegfall der Grundschulempfehlung sind es zum kommenden Schuljahr allein die Eltern, die entscheiden, welches Bildungsangebot ihr Kind wahrnimmt. Weil sie sich von einer Privatschule oft eine bessere Förderung versprechen, entscheiden sich immer mehr Eltern für nicht-öffentliche Bildungseinrichtungen. Entsprechend sagen sowohl die Schulleiterin des evangelischen Mörike-Gymnasiums, Sonja Spohn, als auch der Leiter der Beruflichen Schulen des Internationalen Bundes (IB), Christian Münnich, dass das Interesse an den neuen Realschulen groß sei. Noch sind diese zwar nicht offiziell genehmigt, doch beide Bildungseinrichtungen werben intensiv für ihr neues Angebot.

Dass die Begeisterung über die private Konkurrenz verhalten ist, können Spohn und Münnich verstehen. Dennoch: „Als evangelischer Träger haben wir ein anderes Anliegen und bringen ein anderes Angebot mit“, betont die Leiterin des Mörike. Auch Münnich sieht seine Realschule nur indirekt als Konkurrenz zu den öffentlichen Schulen. „Wir merken, dass der Bedarf da ist, sowohl durch das achtjährige Gymnasium als auch durch den Wegfall der Grundschulempfehlung“, so der Schulleiter der beruflichen Schulen des IB in der Heusteigstraße. Zudem würde der IB maximal 20 Schüler einzügig in einer Klassenstufe betreuen.

Stärkere Schüler helfen den Schwächeren

Für die Torwiesenschule indes war der Schritt zur Sekundarstufe logisch. „Dieser war schon bei der Gründung 2006 angedacht“, sagt Schulleiterin Martina Heß. Doch wollte man die Schule zunächst über die Grundschule von unten her aufbauen. Heß beschreibt den Haupt- und Realschulzug als Gemeinschaftsschule ohne gymnasialen Anspruch, denn diesen könnte die Torwiesenschule nicht abdecken. „Es ist Zufall, dass das mit dem Wegfall der Grundschulempfehlung zusammenfällt.“

Unabhängig von den Unsicherheiten, die durch diese Entwicklung entstehen, scheint bei den Eltern auch die Angst zu wachsen. Die Angst davor, dass das eigene Kind nicht genügend gefördert wird, und die Befürchtung, dass zu viele Kinder mit Sprachdefiziten in derselben Klasse sind. Jochen Schmidt-Rüdt sagt, er erlebe häufig genug, dass Eltern ihre Kinder nicht an seiner Grund- und Werkrealschule anmeldeten und dies mit dem relativ hohen Anteil an Migranten begründeten. Dabei sei es für stärkere Schüler kein Nachteil, mit schwächeren Schülern in einer Klasse zu lernen.

„Noch viel Aufklärungsarbeit leisten müssen“

„Es gibt unendlich viel, was sich Schüler untereinander beibringen können“, sagt Schmidt-Rüdt, der deshalb auch darauf setzt, die Heusteigschule zum Schuljahr 2013/2014 in eine Gemeinschaftsschule umzuwandeln. Einer Tatsache ist sich Schmidt-Rüdt dabei bewusst: „Wir werden noch sehr viel Aufklärungsarbeit leisten müssen, bis Eltern verstehen, was sie davon haben, dass sie ihr Kind auf eine Gemeinschaftsschule schicken.“ Den Schritt zur Gemeinschaftsschule erwägt Dorothea Grübel für die Lerchenrainschule derzeit nicht. Von Veränderungen geht aber auch sie aus. „Ähnlich wie die Gymnasien werden die Werkreal- und Realschulen ihr Profil schärfen müssen“, sagt Grübel. Für ihre Grund- und Werkrealschule setzt sie deshalb neben dem sportlichen Profil auf einen Ausbau des Technikunterrichts.

Dennoch, sagt ihr Kollege Jochen Schmidt-Rüdt, es sei nicht hilfreich, dass „der Verteilungskampf um die Schüler noch extremer werden wird“. „Schon jetzt verlieren wir allein in der ersten Klasse bis zur Hälfte der Kinder an private Schulen“, sagt der Leiter der Heusteigschule. Zwar könnten sich viele Eltern die Schulgebühren für eine Privatschule nicht leisten, doch es sei nicht abzusehen, wie sich der Wegfall der Grundschulempfehlung auf die Verteilung der kommenden Fünftklässler auswirke. Richard Haag, der Schulleiter der Schickhardt-Realschule, gibt unterdessen zwei Dinge zu bedenken: „Die Schulen, die jetzt neu anfangen, haben keine Erfahrungen mit dem Realschulunterricht. Zudem ist der Realschulbereich schon jetzt knapp mit Lehrern. Wo kriegen sie die Lehrkräfte her?“ Überraschend findet er deshalb, dass die Stadt diese Entwicklung unterstützt.