Rentner schraubt offizielles Verkehrszeichen an Gartenzaun - Widerspruch gegen Urteil.

Bietigheim-Bissingen - Was die Straßenverkehrsbehörde tun darf, kann sich ein Normalbürger noch lange nicht erlauben - das ist die Botschaft aus einem bizarren Streit um ein Tempo-30-Schild in einer Bietigheimer Wohnstraße. Weil vor seiner Haustüre angeblich viel zu schnell gefahren wird, hat ein Rentner an seinem Gartenzaun in der Lugstraße auf eigene Faust ein Schild mit der vorgeschriebenen Geschwindigkeit aufgehängt. Die private Erinnerung ans geltende Tempolimit allerdings kommt den 67-Jährigen jetzt teuer zu stehen - das Amtsgericht Besigheim hat den auf Verkehrssicherheit pochenden Rentner zu einer Geldstrafe in Höhe von 400 Euro verurteilt.

Fürs Bietigheimer Ordnungsamt ist die Verkehrserziehung am Straßenrand nämlich keine Lappalie, sondern eine Straftat. "Amtsanmaßung" lautet der Vorwurf, der dem Anwohner gemacht wird. Wer sich um die Einhaltung eines Tempolimits sorgt, darf auf seinem Grundstück zwar durchaus ein Plakat mit einem Bild spielender Kinder aufstellen. Ein offizielles Verkehrsschild wie in der Lugstraße aber ist ausschließlich Sache des Staats - und muss deshalb den hoheitlichen Behörden vorbehalten bleiben.

"Das ist genauso schlimm, wie wenn jemand den offiziellen Briefkopf der Stadt kopieren und für ein gefälschtes Schreiben verwenden würde", kommentiert Rathaussprecherin Anette Hochmuth den Streit ums Schild. Dass die Lugstraße schon wegen eines nahen Kindergartens ohnehin als Tempo-30-Zone ausgewiesen ist, spielt für die Stadt Bietigheim bei der Beurteilung keine Rolle. Das offizielle Verkehrsschild an der Einmündung zur Löchgauer Straße reicht aus Sicht der Stadt völlig aus, mehr Hinweise auf eine angepasste Geschwindigkeit braucht es in dem Wohngebiet nicht.

Zumal Tempokontrollen ergeben haben, dass die Lugstraße keineswegs eine Rennstrecke für Raser ist. Weil auch tagsüber zahlreiche Autos auf der engen Fahrbahn parken, ist bei der Durchfahrt ein Schlängelkurs nötig, die Höchstgeschwindigkeit dürften allenfalls ortskundige Fahrer erreichen. Der Streit ums Tempo beschäftigt deshalb nicht nur Stadtverwaltung und Juristen, sondern belastet längst auch die Stimmung in der Nachbarschaft. Schon vor Montage des Verkehrsschilds an seinem Gartenzaun hat der 67-Jährige zur Feder gegriffen - von dem Rentner als vermeintliche Hobbyrennfahrer enttarnte Anwohner erhielten bitterböse Briefe, in denen ihnen eine rücksichtslose Fahrweise vorgeworfen wird. Gegen das Urteil des Amtsgerichts hat der sich ungerecht behandelt fühlende Mann einen Widerspruch eingelegt - voraussichtlich im Mai wird es in Besigheim zu einer Verhandlung im Schilderstreit kommen.

Dass Behörden gegen gut gemeinte Eigeninitiative in Verkehrsfragen einschreiten, ist in der Region kein Einzelfall: In Kernen im Remstal wurde im November 2009 eine täuschend echte Blitzattrappe entfernt. Jahrelang hatte die falsche Radarfalle, von Bürgermeister Stefan Altenberger beim örtlichen Schlosser selbst in Auftrag gegeben, die Autofahrer zum Tritt auf die Bremse genötigt. Ersetzt wurde der getürkte Starenkasten durch eine Ampel, die bei Geschwindigkeiten über Tempo 50 auf Rot schaltet.

Den Stuttgartern wiederum dürfte noch die Affäre um "Radar-Walter" im Gedächtnis sein: Der Schauspieler Bernd Gnann machte bundesweit Schlagzeilen, als er eine 700 Euro teure Puppe vor seiner Haustür in Hofen auf den Gehweg stellte, um Raser abzuschrecken. Weil die Figur aus Sicht des Ordnungsamts "den Anschein einer amtlichen Geschwindigkeitskontrolle erweckt", musste Radar-Walter wieder weichen.