Der Westen als Stuttgarts Antwort auf Berlins Prenzlauer Berg? Das Westquartier an der Elisabethenstraße Foto: Peter Petsch

Anja Kittler schätzt die kreative Gemütlichkeit in der Stadt Stuttgart und hat dieser im Westquartier in der Elisabethenstraße ein Zuhause geschaffen. Nebenbei empfiehlt sich der Stuttgarter Westen einmal mehr als kultureller Aktivposten der Stadt.

Stuttgart - Wird das jetzt hier Prenzlauer Berg? Anja Kittler, gebürtige Fränkin, versteht diese Frage nicht. Eine Metropole wie Berlin mit einer Landeshauptstadt wie Stuttgart zu vergleichen, käme ihr nie in den Sinn. Einen ehemaligen Secondhandladen hat sie gemeinsam mit ihrer Freundin Alexandra Stroessner in der Elisabethenstraße umgebaut. Dem so entstandenen Kulturzentrum gaben die beiden den Namen Westquartier.

Seitdem füllt sich das Haus mit Leben. Yogakurse werden angeboten, Literaturabende finden statt, die Sonntagsmusik als neue familienfreundliche Konzert- und Lyrikreihe im Stuttgarter Westen (Anja Kittler ist stolz auf den Blüther-Flügel, der hier steht), Interessierte treffen sich zum Stammtisch Mensch & Gesundheit und beim Philosophischen Salon Stuttgart.

„Der Liebe wegen kam ich in diese Stadt, die Liebe zur Stadt ist geblieben“, sagt Anja Kittler. Die 36-Jährige mag „die kreative Gemütlichkeit in Stuttgart“, wo man sich „alles erlaufen“ könne, wo „die Menschen zwar etwas bequem, aber auch entspannt“ seien, wo der Wettergott es meistens gut mit einem meine und es „viel Lächeln auf den Straßen“ gebe.

51 000 Menschen wohnen im Stuttgarter Westen. Damit ist dieser Stadtteil nach Bad Cannstatt am einwohnerstärksten. Wer hier Fuß gefasst hat, will kaum mehr weg und ist auch die Diskussion über das leidige Parkplatzproblem leid. „Wir haben kein Auto, wir nutzen das Fahrrad oder die öffentlichen Verkehrsmittel“, sagt Anja Kittler für sich und stellvertretend für ihren Freundeskreis. „Wir lieben diesen Kiez, wir wollten Leben und Arbeit nicht mehr trennen, deshalb haben wir hier mit Hilfe vieler Bekannter geschuftet“, sagt Anja Kittler.

Sie findet, dass in Stuttgart Räume fehlen, in denen „Ideen aufblühen“ können. Darum vermietet sie im Westquartier in der Elisabethenstraße Räume für Workshops, Seminare, Ausstellungen, Meetings, für Festivitäten und Symposien. Es gibt den Salon mit Teeküche, den kleinen Saal, das Gästezimmer mit großem Bad und Stellplatz vor dem Haus und Frühstück auf Wunsch. „Auch wir frühstücken manchmal vor der Haustür mit Blick ins Grüne“, sagt Anja Kittler. Bei einer solchen Situation sei dann die Frage nach dem Prenzlauer Berg gekommen, wo am Kollwitzplatz angeblich die Latte-macchiato-Mütter die Regeln des Alltags bestimmen. „Aber es waren auch Passanten, die sich gefreut haben, dass hier etwas Neues entsteht“, sagt Anja Kittler. Neugierige kämen noch immer vorbei – eröffnet wurde das „Westquartier“ schon Ende 2013 – um sich zu informieren, was sich hinter der etwas desolaten Fassade mit der schicken Typografie auf dem Eingangsschild verberge. „Das Wort Quartier haben wir bewusst gewählt, es signalisiert: Hier ist jeder willkommen“, sagt Anja Kittler.

Das Quartier um den Bismarckplatz, zu dem die Elisabethenstraße gehört, ist Teil des Sanierungsgebietes S 28. 2,83 Millionen Euro stehen in den kommenden Jahren dafür bereit. Das Jahr 2014 kann als Startschuss gesehen werden, denn seit diesem Jahr ist das Eltern-Kind-Zentrum in der Ludwigstraße offizieller Partner der Stadtverwaltung und Geschäftsstelle des neu gegründeten Forums „Lebendiger Westen“. Auch die „Initiative West“, eine Gruppe von Architekten und Stadtplanern, die seit langem im Stuttgarter Westen wohnen und arbeiten, haben eine Verbesserung der Qualität und Nutzbarkeit des öffentlichen Raums geplant. „Wir fühlen uns hier mit unseren Vorstellungen bestens aufgehoben“, sagt Anja Kittler. Und dass sie manchmal davon träumt, dass die grüne Oase vor dem „Westquartier“, die Elisabethenanlage, bald verschönt wird und Kinder sich im Sommer auf einem Wasserspielplatz vergnügen.

www.westquartier-stuttgart.de