Tabak-Entwöhnung auf Rezept? Das wäre möglich, wenn der Gesundheitsminister seine Pläne umsetzen kann. Foto: dpa

Das Bundeskabinett beschließt heute ein Prävenionsgesetz, das eigentlich keiner will – außer dem zuständigen Minister, Hermann Gröhe (CDU).

Berlin - Es ist ein seltener Vorgang. Gesundheitspolitiker von Union und SPD sind sich in der Einschätzung des Präventionsgesetzes, das heute im Kabinett verabschiedet wird, ziemlich einig: Sie halten nichts davon.

Nach dem Entwurf sollen Krankenkassen künftig sieben Euro pro Jahr und Patient für Vorbeugung ausgeben dürfen. Dabei gilt ein komplizierter Schlüssel: Drei Euro für Prämien für gesundheitsbewusstes Verhalten, etwa durch Teilnahme an Bonusprogramme, zwei für Präventionsmaßnahmen in Betrieben und zwei in „Lebenswelten“ wie Kitas, Schulen oder Stadtquartieren. Im Zentrum stehen Programme zur Bekämpfung von Diabetes, Brustkrebs, depressive Störungen, Fehlernährung, Rauchen und Bewegungsmangel. Es ist der vierte Anlauf für ein solches Gesetz, das einst schon unter Gerhard Schröders Regierung angekündigt war.

Richtig glücklich ist mit dem Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) aber niemand. Die Kassen bemängeln das immerhin 35 Millionen Euro jährlich aus Kassenmitteln an die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gehen, die Maßnahmen koordinieren soll. 510 Millionen Euro fließen in das Konzept, 490 Millionen kommen von den Versicherten.

Lohnt der ganze Aufwand oder werden nicht nur die angesprochen, die ohnehin schon gesundheitsbewusst leben? Der CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich sagt unserer Zeitung, dass er „ganz froh darüber war, dass die parlamentarischen Anläufe in der Vergangenheit immer gescheitert sind“. Sein Argument: „Hier werden Gelder der Versicherten eingesetzt, die an anderer Stelle in der Versorgung fehlen“. Es sei „ein falsches Signal, wenn es Sportkurse künftig auf Rezept geben soll, uns aber dann etwa Mittel fehlen, um Familien zu entlasten, deren Kinder an Neurodermitis erkrankt sind“.

Skeptisch ist auch die gesundheitliche Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Hilde Mattheis. Sie mahnt, „dass hier nicht nach dem Gießkannen-Prinzip Mittel für das fünfte Faltblatt zum Thema ,Beweg dich mal’ ausgegeben werden dürfen“. Außerdem seidie Förderung von der Gesundheit zuträglichen Bedingungen in Schule, Arbeitsplatz und Wohngegend „eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, sollte also aus dem Steuertopf finanziert werden. Das gelte aber in ganze besonderen Maße für die Mittel, die die Bundeszentrale aus Versichertenbeiträgen erhalte. Mattheis kann sich ganz gut vorstellen, „dass das eines der Gesetze wird, die wir in der großen Koalition nicht gemeinsam hinkriegen.“ Selbst in der Ärzteschaft gibt es Zurückhaltung. Dort werden zur zeit eine Reihe von traditionellen Präventionsmaßnahmen, bei der Brustkrebs-Früherkennung sehr kritisch unter die Lupe genommen.

Ein fünftes Scheitern des Vorhabens wäre allerdings eine Blamage. Das allerdings ist dann auch schon der stärkste Trumpf des Ministers.

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