Die Polizeidirektion Böblingen Foto:  

Die Grenzen der neuen Polizeipräsidien sind eigentlich abgesteckt . Doch gibt es eine Zerreißprobe.

Stuttgart - Bleibt es dabei, dass die Polizeidirektionen Esslingen und Böblingen fusionieren? Oder werden die Esslinger die Oberhoheit für Reutlingen und Tübingen bekommen? Was passiert mit der Böblinger Polizei? Muss deren Zentrale etwa zur kleineren Polizeidirektion nach Pforzheim umziehen, wie gerade aus der Goldstadt selbstbewusst kolportiert wird?

Die Unruhe um die Polizeireform, bei der Innenminister Reinhold Gall (SPD) die 37 Polizeidirektionen in den Landkreisen zu zwölf großen Polizeipräsidien fusionieren will, wird größer. Die Unruhe steigert sich mit jedem Tag, an dem die 24.000 Polizisten und 4400 Tarifbeschäftigten nichts davon hören, was ein siebenköpfiger Zirkel im Innenministerium ausheckt. Eine neue geheime Landkarte gibt es zwar – doch hinter den Kulissen ist der Kampf um neue Grenzlinien ausgebrochen.

Heftiger Streit in Projektgruppe und Lenkungsausschuss

Alles schien so einfach, als Innenminister Gall Ende Januar die Eckpunkte seiner Strukturreform vorstellte. Weniger Häuptlinge, mehr Indianer. Keine großen und kleinen Direktionen, keine Landespolizeipräsidien bei den Regierungspräsidenten mehr. Zwölf regionale Polizeipräsidien sollen ausreichen. Eine Projektgruppe hatte das Modell, das die Unternehmensberater Mummert und Partner 1995 für den damaligen SPD-Innenminister Frieder Birzele entwickelt hatten, noch ehrgeiziger weitergedreht.

Es wurde heftig gezofft und gestritten in Projektgruppe und Lenkungsausschuss – letztlich wurde aber einstimmig festgehalten: Mit nur noch zwölf großen regionalen Präsidien könnten so viele Häuptlinge und Verwaltungsstrukturen freigesetzt werden, dass am Ende mehr Polizei auf der Straße zur Verfügung steht. Gall spricht von 650 Polizisten und 240 Verwaltungsangestellten. Doch nun zeigt sich: Der Teufel steckt im Detail. Für die Arbeitsgruppe wird die Zahl Zwölf zum Fluch. Sie passt irgendwie nicht.

Die neue Landkarte. „Man kann noch nichts sagen, da noch nichts entschieden ist“, behauptet Innenminister Gall, wenn er auf den Zuschnitt der neuen Grenzen angesprochen wird. Das ist nicht ganz richtig. Die siebenköpfige Arbeitsgruppe unter Gerhard Klotter, dem Inspekteur der Polizei, hätte da bereits einen Plan. Gewissermaßen gesetzt ist das Polizeipräsidium Stuttgart, das mit 2155 Polizisten schon vorbildliche Strukturen hat. Unter der Vorgabe, dass jedes regionale Polizeipräsidium zwischen 1500 und 2500 Polizisten haben soll, gibt es Fusionspläne für Ludwigsburg und Waiblingen; für Böblingen und Esslingen; für Göppingen–Aalen–Heidenheim–Schwäbisch Hall; für Tübingen–Reutlingen–Balingen–Sigmaringen; für Heilbronn–Mosbach–Künzelsau–Tauberbischofsheim. Doch die Idee Ulm–Biberach–Ravensburg–Friedrichshafen steht schon wieder unter Vorbehalt. Das Gebiet ist offenbar deutlich zu groß.

Die Störfeuer. Selbstbewusst rammt die Pforzheimer Polizei ihre Pflöcke ein. „Wir haben gute Karten“, sagt Polizeichef Burkhard Metzger. Pforzheim will Hauptquartier werden – und sich neben Calw auch die Direktion Böblingen einverleiben. Offenkundige Muskelspiele wie vor einem WM-Boxkampf. Die Pforzheimer Behörde ist kleiner als Böblingen – und soll eigentlich als Juniorpartner mit Karlsruhe fusionieren. Freilich hat Metzger Drähte nach Stuttgart – war fünf Jahre lang bis 2008 Referent für Innen- und Sicherheitspolitik im Staatsministerium. Wie gut die heute sind, ist ungewiss.

Die Muskelspiele verfehlten ihre Wirkung nicht. Sprengt Pforzheim die Region Stuttgart? Im Böblinger Kreistag herrschte am Dienstag Alarmstimmung, und Polizeichef Rudi Denzer mochte da nicht viel zur Beruhigung beitragen. Auch er kenne solche Gerüchte, sagte er. Und kritisierte: „Wir bei der Böblinger Polizei halten die angestrebte Größe dieser Präsidien nicht für sinnvoll.“ Eine historische Frage: In den 70ern wurden mit dem östlichen Teil des Enzkreises Teile des Altkreises Leonberg geschluckt – jetzt würde Baden weiter nach Osten vorrücken.

Die Nebenplaner. Das hätte auch Folgen für Neckar-Alb. Plötzlich sind sich Tübingen und Reutlingen einig. Alles, nur nicht nach Esslingen! Thomas Poreski, Reutlingen, und Daniel Lede Abal, Tübingen, Landtagsabgeordnete der Grünen, haben eine eigene Landkarte erarbeitet – damit Esslingen nicht etwa nach Neckar-Alb greift. Die Politiker schlagen Region-Präsidien vor. Mit einem Schönheitsfehler: Ihr Neckar-Alb-Präsidium hätte nur 1153 Stellen. Ein Region-Stuttgart-Präsidium würde auf 5000 aufgepumpt.

Die Mahner. 31 Oberbürgermeister und Bürgermeister sowie Landrat Johannes Fuchs haben am Donnerstag ein gemeinsames Schreiben aus dem Rems-Murr-Kreis an Ministerpräsident Winfried Kretschmann geschickt, warnen vor einem „tiefen Verlust positiv erlebter Polizeiarbeit“. Dabei haben Ludwigsburg und Waiblingen schon in der Vergangenheit gut zusammengearbeitet – etwa am 15. Februar mit einer gemeinsamen Alarmhundertschaft, als für Stuttgart 21 der Park geräumt werden musste.