Winni (rechts) hat inzwischen einen Gefährten bekommen. Foto: Hildebrand/Greifvogelzentrum Falconis

Eine Anruferin meldet einen „verletzten Adler“. Dieser entpuppt sich als Falkenküken. Polizisten bringen ihn zu einer Aufzuchtstation und übernehmen eine Patenschaft. Inzwischen ist Winni nicht mehr allein.

Auf dem Polizeirevier Winnenden staunte man vermutlich nicht schlecht, als am 7. Juli eine Anruferin aus Winnenden einen „verletzten Adler“ meldete. Tatsächlich saß ein Greifvogelküken im Grünstreifen der Hauptstraße des Teilorts Birkmannsweiler. Das Tier war offenbar aus einem Nest in einer Birke zehn Meter tief gefallen und auf einer Verkehrsinsel gelandet. Dort versteckte es sich zunächst zwischen Pflanzen.

Die Fahndung der Polizei nach dem „Adler“ war trotz dieses Fluchtversuchs erfolgreich. Da das Küken offensichtlich noch zu jung war, um sich selbst zu versorgen, gaben ihm die Beamten zunächst etwas Wasser aus einer Spritze. Dann klärten sie über den Tierschutzverein und den Nabu ab, wohin sie sich mit dem flaumigen Findelkind wenden könnten, und stießen auf das Greifvogelzentrum Falconis im Filstal.

Dieser hat seinen Sitz in Albershausen (Kreis Göppingen) und es sich zum Ziel gesetzt, verletzte und kranke Greifvögel, Falken und Eulen zu pflegen und zu versorgen. Die Ehrenamtlichen rund um die Falknerin Sandra Hildebrand ziehen verwaiste Jungtiere auf und bereiten die genesenen und aufgezogenen Vögel auf die Auswilderung vor. Um Menschen die Faszination näherzubringen, die von Greifvögeln ausgeht, finden dort auch Events und erlebnispädagogische Angebote statt.

Dass es sich bei dem Küken aus Winnenden nicht um einen Adler handelt, stand schnell fest: Der junge Greifvogel aus Winnenden war ein erst etwa zwei Wochen alter Turmfalke. Hildebrand taufte das Tier angesichts seiner Herkunft auf den Namen „Winni“. Er wird nun von Hildebrand und ihren Mitstreitern von Hand aufgezogen. „Turmfalken sind reine Fleischfresser. Wir füttern sie mit Mäusen, dafür haben wir eingefrorene Futtertiere“, erklärt die Falknerin. Die Greifvögel entwickelten sich sehr schnell, in der freien Natur würden die Elterntiere ihnen nur kurze Zeit zerkleinerte Nahrung bringen. Ein Turmfalke braucht täglich rund ein Viertel seines Körpergewichts als Nahrungsmenge.

Die Polizisten aus Winnenden sind jetzt Paten eines Greifvogels

Einsatz abgeschlossen, Vogel abgeliefert: Die Geschichte hätte, was die Winnender Polizisten angeht, an dieser Stelle ein Ende haben können. Doch sie geht noch weiter. Als eine Mitarbeiterin des Polizeireviers am Wochenende nach dem Falkenfund einen humorvoll geschriebenen und mit Fotos versehenen Post des Greifvogelzentrums auf Facebook entdeckte, waren sich die Beschäftigten des Polizeireviers Winnenden schnell einig, die Patenschaft für Winni zu übernehmen. Mit solchen Patenschaften deckt das spenden- und mitgliederfinanzierte Greifvogelzentrum die Kosten für tierärztliche Behandlung und Nahrung der Tiere. Im Gegenzug erhalten Paten eine Patenschaftsurkunde, sie bekommen als Erste exklusive Fotos, Videos und Informationen von ihrem Tier zugeschickt. Ebenso ist ein Besuch beim jeweiligen Patentier möglich.

Auch das Winnender Polizeirevier bekam eine solche Urkunde. Das Dokument bezeugt, dass Winni gut gedeiht: Nachdem er bei seiner Ankunft 158 Gramm gewogen hatte, legte er bis zum 11. Juli schon auf 192 Gramm zu. In der Zwischenzeit ist Winni auch nicht mehr allein: Nachdem der Chef einer Firma aus Weilheim/Teck ebenfalls einen kleinen Turmfalken auf dem Firmengelände entdeckt hatte und ein Nest weit und breit nicht zu sehen war, wurde auch dieses Falkenküken in die Aufzuchtstation gebracht. Die Falknerin erklärt, dass ein Stiefgeschwisterchen für Winni ein großer Vorteil sei: „Die jungen Turmfalken lernen doch sehr viel voneinander und es entspricht eher der natürlichen Aufzucht und mindert den Effekt der Fehlprägung“, schreibt das Greifvogelzentrum auf seiner Facebook-Seite. Das zweite Falkenküken hat noch keinen Paten – aber angesichts der auf Facebook verbreiteten Fotos des flaumigen Jungtiers kann das bestimmt nicht lange dauern.

Faszinierende Vögel

Turmfalken
Diese Gattung ist in Deutschland und ganz Mitteleuropa weit verbreitet. Oft kann man die Tiere beobachten, wie sie im Rüttelflug über Feldern stehen. Ihre Beutetiere sind meist Mäusearten, aber auch kleinere Vögel. Der Turmfalke baut keine eigenen Nester, sondern nutzt Felsspalten oder verlassene Nester anderer Arten.

Tower-Falken
Im Rems-Murr-Kreis sind auch andere Falken zu Bekanntheit gelangt: In der Bauruine des Schwabenlandtowers in Fellbach, ganz oben im 107. Stockwerk, nisten seit einigen Jahren Wanderfalken. Der örtliche Nabu begleitet die Tiere bei der Aufzucht ihrer Jungen und hat Webcams eingerichtet, mit denen jeder das Geschehen im Nest verfolgen kann.