Bevor es beim „Politischen Aschermittwoch“ auf der Bühne der Alten Kelter rund geht, nutzen Landwirte von Fellbach bis Kornwestheim den großen Auftrieb für die erste gemeinsame Demonstration gegen die Nord-Ost-Ring-Pläne.
Fellbach - Heimlich in die Alte Kelter schleicht sich Joachim Pfeiffer keineswegs. Während Blasmusik die knapp 1200 Gäste auf den „Politischen Aschermittwoch“ der CDU einstimmt, kommt der Bundestagsabgeordnete wenigstens auf einen kurzen Wortwechsel bei den Landwirten vorbei. Gut 30 Bauern von Fellbach bis Kornwestheim haben sich zur Protestkundgebung vor der Alten Kelter ver-sammelt. „Kein Nord-Ost-Ring!“ steht auf den am Traktor angebrachten Plakaten.
Die Landwirte wollen den Auftrieb bei der Traditionsveranstaltung nutzen, um deutlich zu machen, dass ihre Gegenwehr gegen den Straßenbau nicht nachgelassen hat. „Es ist das erste Mal, dass sich die Bauern links und rechts des Neckars an einer Kundgebung gegen den Nord-Ost-Ring beteiligen“, sagt Peter Treiber aus Schmiden, der für die FW/FD-Fraktion auch im Fellbacher Gemeinderat sitzt. Offenbar sei der Politik nicht bewusst, dass von der vierspurigen Verkehrsschneise fast 70 bäuerliche Betriebe betroffen wären.
Erst letzte Woche haben die Bauern deshalb bei einer Felderrundfahrt in Kornwestheim dem Bundestagsabgeordneten Steffen Bilger auf den Zahn gefühlt
Schon vor der Bundestagswahl im September hatten die Landwirte in einer gemeinsamen Erklärung gefordert, den längst totgesagten Nord-Ost-Ring wieder zu beerdigen. „Es ist verantwortungslos, auf diesen hochwertigen Böden eine Autobahn bauen zu wollen“, sagt Kathrin Scheck vom Römerhof in Stuttgart-Zazenhausen. Erst letzte Woche haben die Bauern deshalb bei einer Felderrundfahrt in Kornwestheim dem Bundestagsabgeordneten Steffen Bilger auf den Zahn gefühlt – und klargestellt, dass Fernverkehr, Lärm und Dreck gefälligst nicht über wertvolle Ackerflächen rollen sollen. Jetzt sollte der „größte politische Stammtisch des Landes“ als Bühne für Protest dienen.
Die Standeskollegen aus Waiblingen fehlten bei der Kundgebung übrigens. Auch die Landwirte aus Remseck machten sich am Mittwoch rar. Und: Sonderlich beeindruckt von Traktoren und Transparenten zeigten sich weder die in die Alte Kelter strömenden Parteimitglieder noch der christdemokratische Platzhirsch. „So wie es jetzt ist mit dem Verkehr, kann es halt auch nicht bleiben. Ich hoffe, dass sich die Landwirtschaft nun nicht dauerhaft verweigert“, ließ Joachim Pfeiffer verlauten.
Von seinem mehrfach geäußerten Vorschlag, mit einer Tunnellösung übers Schmidener Feld eine kostenintensive, aber auch verträgliche Variante zu verwirklichen, halten die Landwirte jedenfalls nichts. „Das ist doch eine Nebelkerze, der Boden geht trotzdem kaputt“, betont Jochen Brust aus Stuttgart-Mühlhausen.
Neben Hohn und Spott für den möglichen Regierungspartner bekam freilich auch die eigene Partei ihr Fett weg
In der Alten Kelter selbst waren weder der Nord-Ost-Ring noch die Störgeräusche aus der Landwirtschaft ein Thema. Als Redner hatte die Landes-CDU den Staats-sekretär Jens Spahn verpflichtet. Der aktuell immer wieder als Kandidat für ein Ministeramt gehandelte Staatssekretär, am Vorabend noch bei „Markus Lanz“ im ZDF zu sehen, nahm vor allem die Mühe der langwierigen Sondierungsgespräche in Berlin vor. Die Sozialdemokraten tänzelten um die Macht herum, Spahn sprach von „Ränkespielen wie im Denver-Clan“.
Neben Hohn und Spott für den möglichen Regierungspartner bekam freilich auch die eigene Partei ihr Fett weg. Die Union habe massiv an Vertrauen verloren, viele Wähler hätten sich zum Protest entschlossen. „Wir wollen die AfD überflüssig machen“, rief Spahn deshalb den Mitgliedern in der Alten Kelter zu – die Union müsse die große Volkspartei bleiben und dafür sorgen, dass es rechts von ihr keine parlamentarische Kraft gebe. Beim Thema Integration betonte Spahn die Notwendigkeit eines Einwanderungsgesetzes. „Die Menschen wollen geordnete Zuwanderung und wissen, dass Hilfe nicht missbraucht wird.“ Profilieren könne sich die CDU besonders in Feldern wie der Bildungs-, der Familien- und der Europapolitik. Die geplante Erhöhung des Kindergeldes gehe aufs Konto der Union. Spahn plädierte für ein durchlässiges Bildungssystem, das den Begabungen der Kinder Rechnung trage.