Nicht jeder Notfallpatient braucht eine Maximalversorgung. Foto: Imago/Björn Trotzki

Notaufnahmen von Kliniken sind überfüllt mit Patienten, die dort nicht hingehören. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will das ändern. Krankenhäuser sind nicht begeistert – und Patienten müssen sich umstellen.

Stuttgart - Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) konkretisiert seine Pläne für eine Reform der Notfallversorgung. Dazu Fragen und Antworten.

Was ist die Ausgangslage?

Mehr als die Hälfte der Menschen, die Notaufnahmen von Kliniken aufsuchen, sind fit genug, sich anderswo Hilfe zu holen – während der Sprechstundenzeiten bei Haus- und Fachärzten, außerhalb der Sprechzeiten, nachts und an Feiertagen bei den Bereitschaftsdiensten der Niedergelassenen. Deren ambulante Notfallpraxen sind häufig in Kliniken untergebracht. Problem: Die Leute halten sich nicht dran und strömen selbst tagsüber in die Notaufnahmen des nächsten Krankenhauses. Das scheint bequem, schon wegen des Parkens. Viele verstehen womöglich auch den Unterschied zwischen Notaufnahme (Klinik) und Notfallpraxis (Bereitschaftsdienst) nicht. Die Kliniken sind hilflos. Sie müssen jeden, der kommt, anschauen.

Wie verhält man sich richtig?

In echten Notfällen (z.B. Ohnmacht, Infarkt, akute Blutung oder Vergiftung) sollte man sofort den Rettungsdienst unter der Rufnummer 112 kontaktieren. Auch der Weg ins nächste Krankenhaus steht dann natürlich offen. Ist es weniger ernst, steht der nächste Bereitschaftsdienst ohne Anmeldung bereit. Dorthin dauert es mit dem Auto je nach Wohnort maximal 20 bis 30 Minuten. Telefonisch ist der Bereitschaftsdienst unter der Rufnummer 116 117 zu erreichen.

Was plant Minister Spahn konkret?

Er will Patienten besser steuern. Sie sollen dorthin, wo sie – medizinisch betrachtet – hingehören. Spahn will zwei Hebel nutzen: Zum einen setzt er auf ein gemeinsames telefonisches Leitsystem. Jeder Anrufer unter 112 (Rettungsleitstelle) oder 116 117 (ärztlicher Bereitschaftsdienst) erhält eine erste medizinische Einschätzung und wird an die passende Versorgungsebene verwiesen. Im Akutfall kommt der Rettungswagen. In weniger dramatischen Fällen tut’s die Sprechstunde beim Hausarzt am nächsten Tag. Zweiter Hebel: In ausgewählten Krankenhäusern sortieren Ärzte des Bereitschaftsdienstes gemeinsam mit Klinikärzten rund um die Uhr Patienten an einem zentralen Empfang und entscheiden über die Behandlung.

Was heißt das für die Kliniken?

Solche integrierten Notfallzentren (INZ), wo niedergelassene Ärzte und Klinikärzte zusammenarbeiten, gibt es bereits, allerdings auf freiwilliger Basis. Spahn will sie flächendeckend, wobei jedoch nicht alle Kliniken ein INZ erhalten sollen. Der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken (G-BA) hat ein Konzept erarbeitet, wonach von 1750 Akutkliniken nur 1120 einen Zuschlag erhalten sollen. Im Referentenentwurf aus Spahns Ministerium steht, dass Ärzte und Krankenkassen die Kliniken bei der Frage, welche Häuser zum Zuge kommen, überstimmen können. Die Dachverbände der Kliniken sehen darin einen Affront. „Die Verantwortung für die Integrierten Notfallzentren (INZ) muss auf jeden Fall bei den Krankenhäusern liegen“, fordert Matthias Einwag, Hauptgeschäftsführer der Krankenhausgesellschaft im Land (BWKG). Es sei „völlig inakzeptabel, dass die fachliche Leitung bei der Kassenärztlichen Vereinigung liegen soll“. Scharf kritisiert er auch die Vorgabe, dass Kliniken ohne INZ-Zulassung für die Behandlung von Notfallpatienten nur noch die Hälfte der bisherigen Vergütung erhalten sollen.