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Hersteller von Elektromobilen kommen ohne die Unterstützung von Versorgern nicht voran. Daimler und RWE wollen deshalb in Berlin die Infrastruktur verbessern.

Berlin - Hersteller von Elektromobilen kommen ohne die Unterstützung von Versorgern nicht voran. Daimler und RWE wollen deshalb gemeinsam in Berlin die Infrastruktur verbessern: Mehr Autos und mehr Tankstellen.Berliner Redaktion

Wenn Konzernschefs neue Weichenstellungen verkünden, dann regnet es große Worte. Daimler-Chef Dieter Zetsche sah Anlass, von einem Wettlauf um die "zweite Erfindung des Automobils" zu sprechen, und selbstredend wolle Daimler "als Erfinder des Automobils auch diesen Wettlauf gewinnen". Und in diesem Rennen sieht er den Konzern inzwischen in der Pole-Position.

Es geht um das Thema Elektroauto, das aber klingt den Ingenieuren zu langweilig, deshalb heißt das inzwischen durchweg auf gut Deutsch "e-mobility". Daimler arbeitet auf diesem Gebiet seit längerem mit dem Stromversorger RWE zusammen. Gestern stellten die beiden Konzerne in der Hauptstadt ihr Berliner Pilotprojekt vor, für Zetsche das "weltweit erfolgversprechendste Pilotprojekt zur Erprobung der Elektromobilität". Die ersten Elektro-Smart wurden in Berlin als Mietfahrzeuge an ausgewählte Geschäfts- und Privatkunden übergeben. Insgesamt soll die Berliner Pilotflotte auf 100 Fahrzeuge anwachsen, nicht nur Smart, sondern auch Modelle der A-Klasse mit Elektroantrieb.

Das ist nur ein zarter Anfang. Eigentlich hat die Zukunft schon vehementer begonnen. Die in Berlin eingesetzten Smart gehören zu einer Serie von 1000 Fahrzeugen, deren Produktion im Werk Hambach bereits seit November läuft. Die Staffel kommt im nächsten Jahr in acht Ländern (in Europa neben Deutschland Italien, Spanien, England, Frankreich und die Schweiz) auf die Straße. Im zweiten Halbjahr 2010 beginnt die Markteinführung in den USA und Kanada. Und auch das sind noch Erprobungen. 2012, kündigte Dieter Zetsche an, beginnt die Großserienproduktion. Der Vorstandschef sprach von fünfstelligen Stückzahlen. Der Elektro-Smart ist mit einer Lithium-Ionen-Batterie ausgestattet, die sich in dreieinhalb Stunden zu 80 Prozent aufladen lässt. Der 30 Kilowatt (kW) starke Motor beschleunigt in 6,5 Sekunden auf Tempo 60. Die Reichweite liegt bei 135 Kilometern - ausreichend für den Stadtverkehr.

Der Charme der Zusammenarbeit mit RWE liegt in dem flächendeckenden Netz von 500 Stromladepunkten, das in der Hauptstadt bereitgestellt wird. Betanken lässt sich der Smart an den öffentlichen RWE-Ladesäulen oder einer "Wall-Box" für die heimische Garage. Beide Lösungen sind für den Kunden praktisch, weil der Stromversorger eine integrierte Abrechnung über Internet, iPhone oder Blackberry anbietet. So ist auch der Stand des Ladevorgangs abzulesen. Die Wahl des jeweils günstigsten Stromtarifs soll demnächst ebenfalls per Internet ablesbar sein. Tanken kann man auch an einer gewöhnlichen Haushaltssteckdose, dann aber ohne die netten Extras. Außerdem ist an der Haussteckdose die Ladeleistung deutlich geringer. An der öffentlichen Ladestation gibt es eine gesicherte Ladeleistung von 44 kW, an der Ladebox für die Garage sind es noch 22 kW, der normale Hausanschluss liefert aber nur maximal 3,7 kW. Bis Ende nächsten Jahres will RWE in allen deutschen Großstädten und Metropolregionen öffentlich zugängliche Ladestationen anbieten, alle übrigens durchweg mit Ökostrom. So soll vor allem in großen ADAC-Geschäftsstellen eine Lademöglichkeit eingerichtet werden, kündigte RWE-Chef Jürgen Großmann an.

Schöne Aussichten sollte man meinen. Und doch drückte Dieter Zetsche auch ein wenig auf die Euphoriebremse. Bei allen Fortschritten werde die Reichweite batteriebetriebener Autos "aus heutiger Sicht begrenzt bleiben", sagte er. Das Elektroauto sei auch in Zukunft vor allem ein Stadt-Auto. Auch das Thema Preisgestaltung ist nicht unproblematisch. Zwar sei das elektrische Fahren "aus technologischer Sicht absolut serienreif", sagte Zetsche, wollte das aber nicht für die "Marktreife" bestätigen. Die sei noch nicht gegeben, und das liege "vor allem am saftigen Preis der Batterie". Allerdings würden die Herstellungskosten sinken, erwartet der Daimler-Chef. Einbeziehen in die Gesamtrechnung müsse man auch das sparsame Tanken. Schließlich koste "einmal volltanken weniger als mancher Cappuccino". Deshalb sei es noch nicht aussagekräftig, wenn die Berliner Mietautos - die mit RWE-Servicepaket angeboten werden - für 700 Euro im Monat verleast werden. "Einige Jahre" würden noch bis zur "marktreifen Kostenstruktur" vergehen, glaubt Zetsche, und deshalb brauche die Industrie den Rückenwind der Politik.