Foto: Christoph Koestlin

Mit seinen schwermütigen, lyrisch nicht anspruchslosen Liedern hat sich Philipp Poisel weit nach oben gespielt. Am kommenden Montag stellt er in Stuttgart in der Liederhalle sein „Projekt Seerosenteich“ live vor.

Mit seinen schwermütigen, lyrisch nicht anspruchslosen Liedern hat sich Philipp Poisel weit nach oben gespielt. Am kommenden Montag stellt er in Stuttgart in der Liederhalle sein „Projekt Seerosenteich“ live vor.

Herr Poisel, zum „Projekt Seerosenteich“ gibt es eine Live-CD, eine DVD und sogar ein Buch. Wozu diese Fülle an Formaten?
Diese Geschichte ist für meine Laufbahn etwas sehr Ungewöhnliches. Auch wegen der langen Vorbereitungszeit wollte ich das gerne festhalten, so wie in einem Fotoalbum. Es wäre schade, wenn all die Kostüme und Bühnenbilder demnächst im Keller verschwinden und sich niemand mehr daran erinnert. Ich finde den Gedanken schön, sich in 20 oder 30 Jahren anschauen zu können, was man da auf die Beine gestellt hat. Wobei es nicht unbedingt so ist, dass ich mich jetzt selbst verewigen möchte.

Sie haben die Bühnenbilder für die „Projekt Seerosenteich“-Tournee zum Teil selbst geschreinert. Waren Sie selbst von Ihren handwerklichen Fähigkeiten überrascht?
Ein wenig. Ich bin eher so der Denksportler, und meine Talente sind – wenn überhaupt – eher geistiger Natur. Ich war nie der Körperliche, auch beim Fußball war ich nie vorne dabei. Dieser Kraftaufwand beim Schreinern war für mich ein wunderbarer Ausgleich zum Sich-Gedanken-Machen über das Projekt.

Sie haben immer betont, noch nicht zu wissen, ob Musik jetzt wirklich Ihr Beruf sein soll oder gar schon ist. Haben Sie in dieser Frage nach Goldenen Schallplatten, Top-Ten-Platzierungen und ausverkauften Tourneen jetzt Klarheit?
Ach, alles ist temporär und nichts endgültig. Am wichtigsten im Leben ist es, gut mit den Menschen auszukommen, mit denen man dieses Leben verbringt, und das eigene Leben als wertvoll, als Geschenk zu empfinden. Ob ich dabei Musiker bin, ist mir ziemlich wurscht. Ich glaube, ich könnte auch in anderen Berufen glücklich werden, zum Beispiel als Zeichner. Auf der anderen Seite habe ich gerade wirklich einen tollen Alltag. Ich freue mich jeden Tag auf das, was ansteht. Dass ich nun ein Stück weit wirtschaftlichen Erfolg mit meiner Musik habe, ermöglicht mir, mich noch stärker darauf zu konzentrieren.

Sind Sie jetzt ein Popstar?
Ich habe immer noch das Gefühl, dass ich ein normaler Junge bin, der aus irgendeinem Grund auf der Bühne steht. Ich lebe jetzt nicht in ständiger Euphorie, eher in ständiger Dankbarkeit, Demut und schlechtem Gewissen darüber, dass es mir so gutgeht, während viele andere Menschen leiden. Ich denke oft: Philipp, womit hast du das eigentlich verdient? Mit den Freiheiten, die ich mit meiner Musik und dem Leben gerade habe, bin ich jedenfalls voll zufrieden.

„Seerosenteich“ ist ein verträumtes, verliebtes Lied über ein Paar, das im Winter Hand in Hand durch die Wilhelma spaziert. Was ist Wirklichkeit, was Fantasie?
Das ist eine Mischung. Der Song ist inspiriert von einem Winterspaziergang mit einem Mädchen. Aber ob jetzt tatsächlich Meerkatzen in der Wilhelma leben, das weiß ich nicht, man ergänzt das Ausgangsbild.

Ihr Song „Eiserner Steg“ lief in Matthias Schweighöfers Komödie „What a Man“. Ist Philipp Poisel jetzt Mainstream?
Ich suche in diesen Fragen immer noch nach einem Kompromiss. Natürlich möchte ich Leute erreichen, sonst würde ich bei mir im Keller spielen. Und natürlich möchte ich nur Dinge machen, die ich selbst mag. Musik für einen Kinofilm zu machen, diese Idee fand ich immer schon schön. Es gibt Genres, die mir mehr liegen als eine deutsche Popcornkomödie, aber oft entscheidet dann der zwischenmenschliche Aspekt. Nämlich, dass ich Matthias sehr mag und wir beide neugierig darauf waren, das einfach zu machen.

Leben Sie eigentlich noch in einer WG in Stuttgart?
Nein, ich bin nach Tübingen gezogen. Um Ruhe zu finden und ein bisschen unterzutauchen ist es sehr schön hier.

Unterzutauchen? Wurden Sie verfolgt?
Ich bin ja kein FBI-Agent (lacht). Und im Herzen sehe ich mich immer noch als Stuttgarter, dort habe ich mein Umfeld, dort leben die meisten Freunde. Aber ich wollte mal raus. Hier kann ich genießen und auftanken, es ist ganz angenehm.

Wurde Ihnen der Rummel zu viel?
Na ja, am Ende wusste das ganze Haus, wer ich bin. Man fühlte sich immer leicht beobachtet, auch wenn man es vielleicht gar nicht wird. Was das Erkennen auf der Straße angeht, hält sich das bei mir noch sehr in Grenzen. Das finde ich begrüßenswert.

Um das Bahnprojekt Stuttgart 21 ist es etwas stiller geworden. Wie ist Ihre Meinung dazu.
Das Thema ist vielleicht überregional nicht so präsent gerade, aber in Stuttgart selbst brodelt es immer noch. Es gibt Momente, da wird wieder klar, wie lächerlich diese ganze Planung eigentlich ist. Mein Standpunkt war und ist: Man schadet der Stadt mit diesem Bahnhof mehr, als dass man ihr nützt.

Sind Sie auf die Straße gegangen?
Ich bin nicht aufgetreten, war aber als Privatmensch bei einigen Demos dabei. Mir liegt ja auch dieser Stadtpark sehr am Herzen. Dort gibt es abseits solche verwunschenen Stellen, die ich sehr wertvoll und wichtig finde. Dieser Park ist in der Stadt vielleicht der einzige Ort, an dem man die Stadt mal nicht spürt. Und das soll alles aufgegeben werden für diese Retortenideen. In Köln gibt es das ja auch, das neue Viertel direkt am Rhein. Dort bin ich spazieren gegangen, keine Menschenseele. Dann geht man 200 Meter zur alten Promenade, und da sitzen dann alle. Nur, weil ein Architekt fröhliche Menschen in seinen Entwurf malt, heißt das noch nicht, dass die Leute dort auch hingehen.

Philipp Poisel: „Projekt Seerosenteich“ – am 14. Januar um 20 Uhr im Beethovensaal der Liederhalle; Tickets unter: 0711/221105.