Kriminaloberkommissar Rainer Wortmann zeigt in der Polizeiakademie in Freiburg die Entstehung eines Phantombildes. Foto: dpa

Punkt, Punkt, Komma, Strich - fertig ist das Verbrechergesicht. So schlicht wie in den 80er Jahren gestaltet sich das Phantombildzeichnen längst nicht mehr.

Stuttgart - Punkt, Punkt, Komma, Strich - fertig ist das Verbrechergesicht. So schlicht wie in den 80er Jahren gestaltet sich das Phantombildzeichnen längst nicht mehr. Kohlestift und Radiergummi sind Computern und moderner Software gewichen. Die Landespolizei holt sich mittlerweile auch Rat aus den USA.

Den Schimanski zeichnet Rainer Wortmann am liebsten. Wortmann ist Kriminaloberkommissar bei der Stuttgarter Polizei und eigentlich zuständig für die 40 Phantombildzeichner in Baden-Württemberg. Im Dienst sitzt Wortmann mit einem Stift am Computer und setzt Gesichtsteile zusammen. Rein virtuell natürlich. Zieht das Kinn breiter, die Nase länger, die Ohren weiter auseinander. Doch in der Freizeit zeichnet Wortmann am liebsten den Schimanski. Den Star-Tatort-Kommissar aus den 80ern und 90ern. Götz George heißt der Schauspieler, und der hat Wortmann das Porträt sogar abgekauft. Für immerhin 200 Euro. Das Geld ging an die Tabaluga-Kinderstiftung, die sich um misshandelte und missbrauchte Kinder kümmert.

Das Bild, fein säuberlich in einen Glasrahmen gefasst, hängt in der Polizeiakademie in Freiburg, zusammen mit Dutzenden anderen Porträts von Fernsehkommissaren. Die Künstler? Alles Kollegen von Wortmann. Aber Künstler sei der falsche Begriff, sagt Wortmann. Korrekt hießen sie Phantombildersteller. Das Zeichnen mit Bleistift auf Papier, diese Ausstellung, die Vernissage dazu - all das machen die Kollegen in ihrer Freizeit. Wenn eine Bank überfallen wird, ein junge Frau vergewaltigt, ein Mann niedergestochen, wenn die Polizei also mal wieder nach Tätern sucht, dann zeichnet Wortmann die Phantombilder nicht. Er erstellt sie. Seit 1997.

Ein Jahr zuvor hatte die Polizei ihr neues Bildfahndungssystem eingeführt: Isis Phantom professional, so der Name, war eine kleine Revolution. Bis dahin hatte man sich anderer Hilfsmittel bedient: Kohlestift, Schablonen aus dem Setzkasten, dazu gab es eine Verbrecherkartei in mehreren Hundert Schubladen. Es war ein Arbeiten in der Steinzeit. Mit Isis wurden die Fotos der Straftäter digitalisiert, die Polizeiexperten können mittlerweile aus den Merkmalen von mehr als 4000 Gesichtern wählen. Die Phantombilder werden dann aus diesen Gesichtern zusammengebaut. Die Zeugen der Tat, häufig sind es die Opfer, sitzen bei dem kriminalistischen Puzzle mit am Computer. Denn sie müssen wichtige Fragen beantworten: War der Täter groß oder klein, das Haar voll oder dünn, grau, schwarz oder gelockt?

Bis die Antworten gefunden sind, bis Augen und Ohren passen, die Nase an der richtigen Stelle sitzt, vergehen oft zwei oder drei Stunden. Manchmal sind es aber auch acht. Hier ein Schatten hinzu, eine Falte weg. Den Mund ein bisschen größer, oder vielleicht doch kleiner? Wer die Antworten auf solche und ähnliche Fragen findet, zählt zu den Profis der Branche. Deutschlandweit gibt es rund 200 Polizisten, die als speziell ausgebildete Zeichner im Einsatz sind. 40 davon in Baden-Württemberg. Mehrere Tausend Phantombilder werden jedes Jahr in Deutschland von der Polizei veröffentlicht.