Kinder aus zerrütteten Familien sind oft traumatisiert. Keine einfache Aufgabe für Pflegeeltern. Foto: dpa

Pflegeeltern nehmen eine große Herausforderung an. Auf diese will sie die Pflegeelternschule Baden-Württemberg mit Sitz im Stuttgarter Süden vorbereiten. Verstörte Kinder sind nämlich nur ein Teil der Aufgabe.

S-Süd - Die Kinderärztin Leni Schwarz hat zwei eigene Kinder großgezogen. Trotz ihrer Berufstätigkeit spürte sie, dass in ihrem Leben noch Platz für mehr war. „Ich wollte einem besonderen Kind eine Chance geben“, erzählt Schwarz, Mitglied im Vorstand der Pflegeelternschule Baden-Württemberg, die in der Böblinger Straße beheimatet ist. Auch der Vorsitzende Georg Hug und die Geschäftsführerin Claudia Kobus sind Pflegeeltern.

Pflegekinder haben oft schwierige Zeiten hinter sich, ihnen fehlen stabile Bindungen. Für eine Familie ist die Aufnahme eines Pflegekindes eine große Herausforderung. Eine Fortbildung im Umgang mit Kindern, die in die Familien kommen, ist von daher eigentlich unumgänglich.

Verein ist häufig Zielscheibe von Beleidigungen

Lange fehlte dafür ein Angebot. Viele Pflegeeltern fühlten sich von Ämtern allein gelassen und überfordert mit der neuen Situation. „Wir haben gemerkt, dass es sinnvoll ist, sich untereinander zu vernetzen und füreinander etwas zu tun“, sagt der Vereinsvorsitzende Hug. Ein Kreis aus Pflegefamilien und Professoren der Hochschule Esslingen hat sich deshalb 1993 zum Verein Pflegeelternschule zusammengeschlossen. Mitinitiatoren waren der Pädagogik-Professor August Huber und der Jurist Ludwig Salgo. Die Hochschule brachte das erforderliche Wissen zu Pädagogik und Recht ein, die Pflegeeltern die praktische Erfahrung.

Häufig werden die Mitglieder des Vereins zur Zielscheibe von Beleidigungen und Beschimpfungen. „Für die leiblichen Eltern sind wir oft ein Feindbild“, sagt Leni Schwarz. Die Kinder werden aus den Familien genommen, wenn die Situation nicht mehr tragbar ist. Betroffene Eltern schätzen die Lage aber meist ganz anders ein. „Es ist ja oft kein Nicht-Wollen, sondern ein Nicht-Können“, sagt Schwarz. Um die Pflegeeltern fortzubilden, bietet der Verein Seminare und Fachtagungen an. Wichtig ist den Vereinsmachern, dass sich auch Mitarbeiter des Jugendamtes weiter qualifizieren, weshalb die Veranstaltungen nicht nur für Eltern angeboten werden.

Kritik an der aktuellen gesetzlichen Regelung

Langfristig wünscht sich der Vorsitzende Hug, dass auch Richter in Fortbildungen einbezogen werden. „Ein Richter entscheidet nach Recht und Gesetz, oft bleibt dabei das Wohl des Kindes auf der Strecke“, ist Hugs Erfahrung. Wenn ein Kind in einer Familie missbraucht oder extrem vernachlässigt worden sei, könne es nicht einmal für kurze Zeit zurück. Nach dem Gesetz sei das Ziel aber, dass die Kinder langfristig wieder zu ihren leiblichen Eltern gehen.

Im Unterschied zu den Familien, aus denen die Kinder kommen, kennen die Pflegeeltern ihre Schützlinge ziemlich gut, ist die Erfahrung von Claudia Kobus. „Pflegeeltern sind Fachleute für ihre Kinder“, bestätigt auch Leni Schwarz. Aus diesem Grund sind die drei Mitglieder des Vorstandes gegen die allgemeine Regel, dass Pflegekinder Kinder auf Zeit sind. „Das entspricht jeder Bindungstheorie“, betont Hug. Die neuen Bindungen seien genauso schützenswert wie die zu den leiblichen Eltern. „Außerdem ist klar, dass bereits sehr viel passiert ist, bevor ein Kind in eine Pflegefamilie kommt“, sagt Schwarz.

Zertifizierung zum Einzelvormund

Dass es vor Gericht zu wenige Gutachter gebe, die auf Pflegekinder spezialisiert seien, ist für Claudia Kobus, die Geschäftsführerin der Pflegeelternschule, ein großes Problem. „Ein Ziel von uns ist daher, die Zusammenarbeit zu verbessern“, sagt Kobus. Richter verfügten aus ihrer Sicht oft nicht über die entsprechende Fachkompetenz. Die Pflegeelternschule biete Eltern deshalb kompetente Unterstützung durch ausgebildete Beistände an. Über 70 solcher Beistände sind Mitglied im Verein.

Zurzeit ist eine zertifizierte Ausbildung zum Einzelvormund für Pflegeeltern geplant. Dies sei für die Pflegeeltern wichtig, damit sie mehr rechtliche Möglichkeiten haben. „Sie haben sonst das Problem, dass sie sich ständig mit allen Seiten absprechen müssen“, sagt Kobus. Im Oktober 2013 soll die Ausbildung starten.