Pflegekräfte in den Kliniken gehen bei der Sonderzahlung leer aus. Foto: dpa

Während Pflegekräfte im Altenheim sich über eine Prämie von 1.500 Euro freuen dürfen, gehen Krankenpfleger leer aus. Das sorgt für Unmut bei den Pflegerinnen und Pfleger. Sie fühlen sich nicht wertgeschätzt und fordern Veränderungen von der Politik.

Esslingen - Was ist übrig geblieben von dem Applaus auf dem Balkon, dem Versprechen der Politiker und der Zustimmung, die die Pflegekräfte zum Anfang der Corona-Krise gespürt haben? Sind aus den Worten auch Taten geworden? Es scheint, als hätte man in Deutschland, jetzt wo die Corona-Fälle sinken, die Pflege wieder vergessen.

 

Der Corona-Bonus, den Gesundheitsminister Jens Spahn angekündigt hatte, kommt. Doch nicht alle profitieren davon. Nur die Angestellten in der Altenpflege können sich über 1500 Euro freuen, die Pflegekräfte in den Krankenhäusern gehen leer aus. Eine Entscheidung, die bei den Betroffenen für viel Unmut sorgt. So auch bei Ingrid (Name von der Redaktion geändert), eine Krankenschwester aus dem Kreis Esslingen, die anonym bleiben möchte. „Das hat mich und meine Kollegen geärgert. Wir sind sehr frustriert darüber“, sagt sie. Jens Spahn begründete die Entscheidung damit, dass Beschäftigte in der Altenpflege deutlich weniger verdienen als Angestellte in der Krankenpflege. Diese Argumentation kann Ingrid nicht nachvollziehen. „Man kann diese zwei Berufe nicht vergleichen. Wir Krankenpfleger sind in den Kliniken mit ganz anderen Herausforderungen konfrontiert“, sagt sie. Sie freue sich darüber, dass die Altenpflege den Bonus bekommt. Aber: „Es macht mich sauer, dass wir nun gar nicht mehr erwähnt werden.“

Die Krankenschwester hat auf einer Covid-19-Station gearbeitet. Eine Zeit, die für sie auch seelisch sehr belastend war. „Wir mussten unsere Arbeitsstrukturen und Abläufe über Bord werfen und uns komplett umstellen“, berichtet Ingrid. Die Pfleger seien die einzigen Bezugspersonen für die Patienten gewesen. „Die waren teilweise so krank, dass sie zu nichts mehr fähig waren, nicht mal zum Duschen oder so. Wir mussten sie permanent mit Sauerstoff versorgen“, erzählt die Pflegerin.

Doris Rohrhirsch, Pflegedirektorin am Klinikum Esslingen, gönnt den Pflegerinnen und Pflegern in der Altenpflege den Bonus. „Aber man kann nicht eine Prämie für alle Berufsgruppen in der Pflege ankündigen und dann bekommt es nur ein Teil. Wer A sagt, muss auch B sagen.“ Die Pflegedirektorin habe die Entscheidung, dass die Prämie nur in der Altenpflege ausgezahlt wird, aus den Medien erfahren. Niemand habe sich bei ihr gemeldet und sie darüber informiert, dass die Krankenhäuser kein Geld bekommen.

Einige Kliniken zahlen ihren Mitarbeitern nun einen Bonus aus eigener Tasche. Doch viele Häuser stehen vor finanziellen Schwierigkeiten. Die Corona-Krise hat sie hart getroffen. Der Regelbetrieb musste zurückgefahren werden und es konnten weniger Patienten behandelt werden. Auch für das Klinikum Esslingen ist ein Mitarbeiterbonus aus eigenen Mitteln nicht machbar. „Ein Krankenhaus alleine kann so eine Prämie nicht stemmen, das bekommen wir nicht refinanziert“, erklärt Rohrhirsch. So etwas sei nur mit Hilfe von Spenden möglich. Sie sieht es kritisch, dass nun Kliniken sowie Bundesländer für die Finanzierung der Prämie in den Krankenhäusern aufkommen: „Wie stehen dann die Einrichtungen und Länder da, die das Geld nicht zahlen können? Eine Prämie sollte aus dem gleichen Topf kommen und für alle ausgezahlt werden.“

Dass sie keinen Bonus erhält, hat Krankenschwester Barbara aus Esslingen (Name von der Redaktion geändert) wenig gestört. „Mir geht es darum, dass sich endlich was ändert. Wir können unsere Patienten nicht so gut pflegen, wie wir das gerne möchten, denn wir haben zu wenig Zeit“, beklagt die Krankenschwester. Die Probleme in der Pflege seien schon lange bekannt. „Es geht nicht, dass wir einen Bonus bekommen und damit ist die Sache erledigt. Es muss sich was ändern “, sagt sie. „Wir wurden als Helden gefeiert und dann schnell wieder fallengelassen. Und ich spreche nicht nur von der Pflege. Was ist aus den Kassiererinnen, Erzieherinnen und allen anderen geworden, die zu Beginn der Krise so bewundert wurden?“ Auch Ingrid wünscht sich dauerhafte Veränderungen in der Pflege. „Die Prämie ist das eine, aber was wir brauchen ist mehr Wertschätzung und Anerkennung.“

Für Irene Gölz, Landesfachbereichsleiterin vom Fachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen bei Verdi, heißt es nun, am Ball zu bleiben. Die Gewerkschaft habe Petitionen zu dem Thema gestartet, erzählt sie. Die Pflegebranche sei eine große Gruppe, betont Gölz. „Wenn sich die Beschäftigten organisieren und auf die Straßen gehen, dann kann viel erreicht werden“, sagt sie. Doch nur wenige Pfleger engagieren sich in einer Gewerkschaft oder gehen streiken, berichten Ingrid und Barbara: „Viele Kollegen sind resigniert und sagen, dass das nichts bringen wird“, erzählt Barbara.

Die Pflegerinnen sehen nun die Politik in der Pflicht: „Wir brauchen mehr Personal und das kriegen wir nur, wenn wir besser bezahlt werden“, fordert Barbara. Es könne nicht sein, dass viele Pflegekräfte, wenn sie in Rente gehen, von Altersarmut betroffen seien. Sie mache ihren Beruf gerne. „Aber ich kenne jüngere Kollegen, die sagen, dass sie sich nicht vorstellen können, lange in diesem Beruf zu bleiben.“ Das Thema Pflege betreffe alle. „Wenn man ins Krankenhaus kommt oder später in einem Altersheim untergebracht wird, dann möchte man gut versorgt werden.“

Auch die SPD Esslingen greift das Thema Pflege-Bonus auf. Die Partei sieht Gesundheitsminister Jens Spahn und das Land in der Pflicht, den Bonus für die Krankenpflege doch noch zu ermöglichen. Wenn sich alle Beteiligten nicht auf eine Zahlung einigen können, will die Partei prüfen, ob und inwieweit der Landkreis und die Kliniken selber einen Bonus stemmen können.