Wer im Ausländeramt warten muss, braucht Standhaftigkeit Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Aktenberge, Überstundenbugwellen, Kundenwogen: Die Leiterin der Ausländerbehörde kapituliert und kündigt an, Kundenschalter zu schließen. Für die in Stuttgart lebenden Ausländer hat das längere Wartezeiten zur Folge, wenn sie spontan erscheinen.

Stuttgart - Ausländer müssen sich gedulden, die Ausländerbehörde kommt der Arbeit nicht mehr hinterher. „Oftmals bekommen unsere Klienten Genehmigungen erst zwei Monate zu spät, manche sitzen fast den ganzen Tag in den rappelvollen Fluren und kommen vor Dienstschluss doch nicht dran“, sagt eine Mitarbeiterin des Migrationsdienstes der Caritas.

Dienststellenleiterin Gerda Kinateder bestätigt: „Ich habe im Februar 2014 für den gesamten Bereich eine Überlastungsanzeige abgegeben. Unsere Krankheitsquote liegt bei 26 Tagen pro Jahr. So kann ich den Betrieb nicht länger aufrecht erhalten.“

Die Erteilung von Aufenthaltstitel ist für die Betroffenen existenziell. „Wir können die Zahl der Anträge ja nicht beeinflussen, wir können nur die Beratungszeit kürzen“, so Gerda Kinateder. Deshalb schließt sie im September vier der fünf Kundenschalter.

Dorthin konnten sich Kunden bisher wenden, wenn sie keinen Termin hatten. Das sind rund 30 Prozent der Besucher. Wer also eine dringende Angelegenheit zu klären hat, muss sich nach den Sommerferien in eine lange Schlange vor dem letzten verbliebenen Schalter einreihen, während sich der Großteil des Personals mit der Bearbeitung der Anträge befassen.

Keine Abhilfe trotz Überstunden

100 000 Kunden kommen jährlich ins Ausländeramt, für 140 000 Stuttgarter ist es zuständig. Alle Strategien, den Arbeitsanfall mit dem vorhandenen Personal zu bewältigen, sind gescheitert. Nach mehreren Berichten in dieser Zeitung hat der Gemeinderat vier zusätzliche Stellen genehmigt, davon sind aktuell aber erst zwei besetzt. Die Dienststellenleiterin muss nicht nur diese Stellen neu besetzen. Innerhalb eines Jahres hat das Amt 23 Mitarbeiter verloren.

Den Schichtbetrieb auszurufen, so Kinateder, hätte bei herrschender Personalnot wenig Sinn. Außerdem seien die meisten Beschäftigten Teilzeitangestellte, die sich nach den Öffnungszeiten der Kitas oder den Dienstzeiten von Pflegediensten richten müssten. Schon jetzt nutzten die Leute flexible Anfangs- und Schlusszeiten, um außerhalb der Besuchszeiten Anträge in Ruhe abarbeiten zu können. doch schon jetzt schiebe das Personal eine Bugwelle von Überstunden vor sich her. Deren Maximum, insgesamt 100 Stunden, ist bei manchen erreicht, das Überstundenbudget „fast abgevespert für 2015“, so die Amtschefin.

Die Bedingungen im Haus sind zudem suboptimal. Das Gebäude aus dem Jahr 1980 hat keine Klimaanlage, die Mitarbeiter brachten ihre eigenen Ventilatoren mit. Für die Flure wurden welche beantragt, bis heute wurden keine aufgestellt, „und die Diskussion um Wasserspender habe ich aufgegeben“, so Kinateder.

Ihre Vorgesetzten, Ordnungsbürgermeister Martin Schairer und Amtsleiterin Dorothea Koller, bestätigen den im städtischen Vergleich fast doppelt so hohen Krankenstand, kündigen aber personalwirtschaftliche Konsequenzen an. Unter anderem werden fünf Springerstellen eingerichtet, um die schlimmsten Spitzen zu kappen. „Gute Mitarbeiter werden zurzeit von allen Flüchtlingsinstitutionen gesucht“, sagt Dorothea Koller, „die hohe Fluktuation hat uns das Genick gebrochen.“ Sie hofft, dass spätestens im ersten Quartal 2016 wieder Normalität einkehrt.