Als Teflon-Premier bezeichnen Kritiker Japans Regierungschef Abe. Kritik perle an ihm ab. Foto: EPA

Shinzo Abe hat einen deutlichen Wahlsieg eingefahren. Der Ministerpräsident wird den Abschied von Japans pazifistischem Kurs fortsetzen können.

Tokio - Die japanischen Wähler haben Premier Shinzo Abe ihr Vertrauen ausgesprochen. Der seit 2012 amtierende Regierungschef hat sein selbst gestecktes Ziel einer deutlichen Mehrheit im Oberhaus klar übertroffen. Zahlen vom Sonntagabend zufolge ist sogar eine Zweidrittelmehrheit von 162 der 242 Sitze in Reichweite. Das Oberhaus in Tokio ist die zweite Kammer des japanischen Parlaments. Sie hat nicht so viel Macht hat wie das Unterhaus. Die Wahl gilt jedoch als entscheidender Test dafür, ob die Wähler Abes Politik akzeptieren. Abe will seine Kernprojekte fortsetzen: die Abschaffung der pazifistischen Nachkriegsordnung sowie die Förderung der Wirtschaft durch viel billiges Geld.

Abe hat den Wahlerfolg erzielt, obwohl die Wirtschaft nicht rund läuft, die Spannungen mit den Nachbarländer zunehmen und die Sozialpolitik vielen Japanern erhebliche Sorgen bereitet – so mangelt es beispielsweise an flächendeckender Kinderbetreuung. „Teflon-Abe“ nannte die Zeitung „Japan Times“ den Politiker, an dem jede Kritik abzuperlen scheint. Experten zufolge vertrauen die Japaner jedoch gerade in schwierigen Zeiten einer selbstbewussten, charismatischen Figur wie es der 61-jährige Abe ist.

Der Premier will das Militär der Insel stärken

Abe hat in seiner bisherigen Amtszeit vor allem zwei große Projekte vorangetrieben. Er versucht, die Wirtschaft durch Schaffung von moderater Inflation wiederbeleben und lässt dafür gewaltige Mengen billigen Geldes freisetzen. Außerdem will er das Militär stärken und Japan selbstbewusster auftreten lassen. Er hat vor, Japans Nachkriegsverfassung wieder aufzuschnüren. Dafür braucht er die „Super-Mehrheit“ in beiden Kammern des Parlaments. Im Unterhaus hat er sie bereits. Mit einer Zweidrittelmehr im Oberhaus kann er nun die von ihm gewünschte Verfassungsänderung starten und das Volk in einem Referendum über Artikel 9 abstimmen lassen. Dieser Artikel sieht bisher vor, dass Japan grundsätzlich pazifistisch ist und keine Streitkräfte unterhält. Das hat mit der Realität schon lange nichts mehr zu tun: Japan verfügt über eine große und schlagkräftige Armee mit allen High-Tech-Waffen.

Doch die Einsatzfähigkeit dieser „Selbstverteidigungskräfte“ war durch ihren inoffiziellen Charakter bislang stark eingeschränkt. Abe will Japan nun in der asiatischen Sicherheitspolitik offensicher positionieren. China verhält sich immer aggressiver, Nordkorea besitzt bald Kernwaffen auf Interkontinentalraketen und auch Russland verhält sich imperialistisch. Der Patriot Abe glaubt, gegenüber diesen Nachbarn klare Grenzen ziehen zu müssen, indem er eine Drohkulisse aufbaut. Die benachbarten Machthaber verstehen nur Stärke, keine freundlichen Angebote, lautet seine Argumentation. Die Wähler stimmen dieser Einschätzung offenbar zu, obwohl Abe die Themen Sicherheit und Verfassung aus dem Wahlkampf ausgeklammert hat.

Billiges Geld soll den Wirtschaftsmotor schmieren

Stattdessen hat er sich auf die Wirtschaft konzentriert. Hier ist sein Erfolg fast etwas verwunderlich: Sein Konjunkturprogramm hat bisher nur mittelmäßige Ergebnisse geliefert. Ökonomen haben Abes Konzept den Spitznamen „Abenomics“ gegeben. Es sieht vor, den Wirtschaftsmotor durch die Vergabe von enormen Mengen billigen Geldes zu schmieren, ihn durch Strukturreformen wieder leichtgängig zu machen und durch höhere Ausgaben auf Touren zu bringen. Bisher ist bei den meisten Japanern jedoch nicht viel davon angekommen. Trotz eines ordentlichen Wachstums von 0,5 Prozent im ersten Quartal dieses Jahres (aufs Jahr hochgerechnet 1,9 Prozent) berichten viele einfache Bürger, dass sie bisher nichts von der Erholung spüren. Versprochene Lohnsteigerungen in erheblichem Ausmaß sind bisher ausgeblieben.

In Japan stagnieren die Preise und Löhne seit 25 Jahren – das ist sowohl Symptom als auch Ursache der müden Wirtschaftsentwicklung. Ökonomen kritisieren jedoch, dass billiges Geld alleine die Probleme nur überdeckt, nicht heilt. Abe geht trotz allem deutlich gestärkt aus der aktuellen Wahl hervor. Er kann seine Ideen nun weiter verwirklichen. Fürs Erste hat er bereits die Aussetzung von Steuererhöhungen angekündigt. Wenn er mit dem Versuch einer Verfassungsänderung Ernst macht, dürfte das die Beziehungen zum Nachbarn China weiter belasten.