Wie roch der Balsam, mit dem Könige und hochrangige Verstorbene im alten Ägypten mumifiziert wurden? Forscher aus Tübingen, München und Kairo haben den Duft rekonstruiert, der bei der Mumifizierung einer bedeutenden Frau vor mehr als 3500 Jahren verwendet wurde. Herausgekommen ist ein kostbares Parfüm aus dem Land der Pharaonen.
Am 4. November 1922 stieß der britische Archäologe Howard Carter im Tal der Könige – fünf Kilometer nordwestlich der oberägyptischen Stadt Luxor – auf eine steinerne Treppenstufe. Carter war, ohne es zu diesem Zeitpunkt zu ahnen, auf das (fast) unberührte Grab des ägyptischen Pharaos Tutanchamun aus dem 14. Jahrhundert v. Chr. gestoßen.
Totenkult unter den Pharaonen
Wie die Leichname anderer Pharaonen war auch der jugendliche Herrscher einbalsamiert worden. Doch trotz aller Erkenntnisse über die Mumifizierung war bisher nicht im Detail bekannt, wie alten Ägypter die Körper ihrer Verstorbenen durch Balsamierung unsterblich machten.
Einem Forscherteam der Universität Tübingen, der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München und des National Research Center in Kairo war es Anfang 2023 gelungen, völlig neue Erkenntnisse über die Chemie der Balsamierung zu gewinnen. Im Glauben der alten Ägypter sicherte nur eine Einbalsamierung und Konservierung des Körpers ein Weiterleben im Jenseits. Deshalb unterzogen sie die Leichname wichtiger Persönlichkeiten einem aufwendigen Mumifizierungsprozess.
Wie die alten Ägypter ihre Toten einbalsamierten
Seit 2016 untersuchten die Archäologen einen mehr als 2600 Jahre alten unterirdischen Friedhof für Priester samt Werkstatt zur Mumifizierung in Sakkara (auch Saqqara geschrieben). Die Nekropole liegt am westlichen Nilufer, rund 25 Kilometer südlich von Kairo und den berühmten Pyramiden von Gizeh. Sakkara ist eine der bedeutendsten altägyptischen Totenstädte und gehört zur antiken Residenzstadt Memphis, deren Überreste zum Unesco-Weltkulturerbe zählen.
Die ausgedehnte Grabanlage in Sakkara aus der 26. Dynastie (664-525 v. Chr.) besteht aus mehreren Grabkammern, die in die Seitenwände eines tiefen Schachtes gegraben wurden. In rund 30 Meter Tiefe fanden die Forscher sechs unberührte Grabkammern mit Dutzenden Mumien und Skeletten, Sarkophagen, Kanopen-Krügen aus Kalzit (sogenannter ägyptischer Alabaster), Statuetten und einer vergoldeten Silbermaske.
Unter den Funden sind die Gefäße und Krüge aus der Mumifizierungswerkstatt besonders kostbar und aufschlussreich. Sie vermitteln gänzlich neue Einblicke, welche chemischen Substanzen zur Konservierung menschlicher Körper verwendet wurden. Rückstände in den dort erhaltenen Gefäßen lieferten erste Hinweise auf die Rezepturen der Einbalsamierer.
Eine ägyptische Adelige wird für die Ewigkeit konserviert und parfümiert
Jetzt ist es Forschenden um Barbara Huber vom Max-Planck-Institut für Geoanthropologie in Jena erstmals gelungen, die Einbalsamierungs-Duftstoffe bei einer Mumie zu rekonstruieren. Es handelt sich um die Adelige Senetnay, Amme von Pharao Amenophis II. und Ehefrau des Sennefer, des Bürgermeisters von Theben. Sie lebte zur Zeit des Neuen Reiches in der 18. Dynastie, war um 1450 v. Chr. gestorben und im Tal der Könige beigesetzt. Ihre Studie haben sie jetzt im Fachmagazin „Scientific reports“ veröffentlicht.
Howard Carter entdeckte im Jahr 1900 im Tal der Könige mehrere Gefäße in einem Felsengrab, die einst Organe von Senetnay enthalten hatten. 123 Jahre später haben Barbara Huber und ihr Team die Rückstände in zwei dieser Kanopen-Gefäße chemisch analysiert. Mit Hilfe der Massenspektrometrie analysierten sie die Substanzen, mit denen die Organe Senetnays für die Ewigkeit konserviert und parfümiert wurden.
„Mit unseren Methoden konnten wir entscheidende Erkenntnisse über die Inhaltsstoffe des Balsams gewinnen, zu denen es in den zeitgenössischen altägyptischen Textquellen nur begrenzte Informationen gibt“, erklärt Barbara Huber.
Mixtur aus zahlreichen kostbaren Essenzen
Demnach wurde der Leichnam der Amme von Amenophis II. mit einer Mixtur aus Essenzen und Zutaten behandelt. „Die komplexen und vielfältigen Inhaltsstoffe, die für diese frühe Zeitperiode einzigartig sind, bieten ein neues Verständnis für die differenzierten Mumifizierungspraktiken der damaligen Zeit“, erläutert Mitautor Christian Loeben vom Museum August Kestner in Hannover.
Neben Pflanzenölen und Fetten enthielt das Gemisch Bienenwachs,Zedernöl und Bitumen als Konservierungsmittel sowie ätherische Extrakte aus Kiefern- und Lärchenharz,von Pistazienbäumen. Dazu kamen verschiedene duftende Essenzen wie Abbauprodukte von Nadelbaumholz, die nach Vanille dufteten. Außerdem fand man auch Rückstände der Harze von Elemi (Balsambäume von den Philippinen) und Dammar-Bäumen, die ausschließlich in tropischen Wäldern Südostasiens wachsen.
Globaler Handel in der Antike vor 2600 Jahren
„Die Inhaltsstoffe des Balsams machen deutlich, dass die alten Ägypter schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt Materialien auch von außerhalb ihres Gebiets bezogen haben”, sagt Seniorautorin Nicole Boivin vom Max-Planck-Institut für Geoanthropologie.
Die Anzahl der importierten Inhaltsstoffe für ihren Balsam unterstreiche die Bedeutung Senetnays als wichtiges Mitglied des inneren Kreises des Pharaos, erläutert Nicole Boivin. Nur wenige hochrangige Tote erhielten eine so aufwendige Mumifizierungsprozedur wie Senetnay.
Parfüm „Scent of Eternity”: Der Duft der Ewigkeit aus dem Land der Pharaonen
Um herauszufinden, wie die Essenzen zur Einbalsamierung ursprünglich dufteten, haben die Forscher zusammen mit der französischen Parfümeurin Carole Calvez und der Museologin Sofia Collette Ehrich den Duft der altägyptischen Toten als Parfüm wiedererweckt.
Das als „Scent of Eternity” – „Duft der Ewigkeit“ – bezeichnete historische Aroma wird nach Angaben des Max-Planck-Institut für Geoanthropologie demnächst im Moesgaard-Museum im dänischen Hojbjerg in einer Ausstellung präsentiert, die den Gästen ein einzigartiges sensorisches Erlebnis bietet. „Sie können aus erster Hand einen Geruch aus der Antike kennenlernen und einen Eindruck vom altägyptischen Mumifizierungsprozess gewinnen.“
„Der ‚Scent of Eternity‘ steht für mehr als nur das Aroma des Mumifizierungsprozesses“, sagt Barbara Huber. „Er verkörpert die reiche kulturelle, historische und spirituelle Bedeutung der altägyptischen Begräbnispraktiken.“