Die in Weinheim aufgewachsene Ordensschwester Teresa hat eine Krebserkrankung überstanden. Sie verbreitet ihre Botschaft der Nächstenliebe über alle Kanäle.
Weiße Haube, blauer Schleier, blaues Gewand, Holzkreuz um den Hals – Teresa Zukic sieht aus wie eine ganz normale Ordensfrau. Nichts jedoch ist gewöhnlich an dieser schillernden Schwester, die erstmals 1991 in der Sat-1-Show „Schreinemakers live“ als „Skateboard fahrende Nonne“ öffentlich in Erscheinung trat. Zwei Redakteurinnen war die Vinzentinerin in einem Zug aufgefallen. Ihnen hatte Schwester Teresa erzählt, wie sie sich in Hanau in sozialen Brennpunktvierteln um Kinder kümmert, Skateboard fährt, Fußball, Basketball und E-Gitarre spielt. Prompt wurde sie in die Sendung eingeladen, wo sie dann noch steppte. „Gott hat ein Skateboard benutzt, um die Herzen meiner Kids im Viertel zu gewinnen. Auch wenn ich heute das blöde Brett nicht mehr sehen kann, es hat viele Türen geöffnet.“
Schwester Teresa hat sich eine Marke erschaffen, ihre Botschaft von der Liebe Gottes verkündet sie über alle Kanäle. Sie ist als Gastrednerin gefragt, hat eine Homepage, eine Fanseite bei Facebook und einen Youtube-Kanal. Per Schwester-Teresa-App füttert die Influencerin Gottes ihre Follower.
Eine Art katholischer Pop-Star
Schwester Teresa ist Buchautorin, Malerin, Dirigentin, Komponistin und Hobbyköchin. Eine Art katholischer Popstar, der sich nicht ausbremsen lässt, nicht einmal von einem Gebärmutterkrebs. Gut zwei Jahre nach ihrer schweren OP ist sie zurück auf der Bühne – an diesem Abend im Europa-Park in Rust, wo sie im mit rund 600 Zuhörern voll besetzten Ballsaal Berlin ihr Publikum unterhält. Schwester Teresa redet locker und prägnant. „Wer nicht genießt, ist ungenießbar“ lautet der Titel ihres Vortrags auf Einladung des Fördervereins Santa Isabel.
Die 58-Jährige ist in ihrem Element, schaut mit leuchtenden Augen in die Runde. „Drehen Sie sich mal um zu Ihrem Nachbarn und sagen Sie: ,Boah, sehen Sie gut aus!‘“ Wer sich selber nichts gönnt, wird auch seinem Nächsten kaum etwas gönnen, und Nächstenliebe kann ansteckend sein.
Askese hat bei Schwester Teresa keinen Platz. Als Zeugen für das gute Leben zieht sie Jesus heran. „Er hat Wasser in Wein verwandelt, also wenn das nicht sympathisch ist.“ Mit ihren Scherzen packt sie das Publikum im Handumdrehen. „Zum Genießen gehört das Lachen dazu. Was mich trägt, ist der Humor. Lachen ist eine wahre Sauerstoffdusche für unser Gehirn.“ Und weil das so ist, singt die deutsche Antwort auf Sister Act während ihres multimedialen Auftritts nicht nur ihren Song „Lach dich gesund“, den sie zusammen mit der Volksmusikgruppe Stimmen der Berge aufgenommen hat, sondern streut auch Lieblingswitze ein. Kostprobe: „Eine Frau kommt zum Doktor. ,Herr Doktor, ich habe einen 100-Euro-Schein verschluckt. Und jetzt kommen Münzen raus.‘ Sagt der Doktor: ,Das ist doch kein Wunder, Sie sind ja auch in den Wechseljahren.‘“ Schwester Teresa würzt ihre Botschaft von der Liebe Gottes mit ihren eigenen Lebensweisheiten: „Wenn ich aufwache, dann sage ich: ,Das wird der schönste Tag meines Lebens.‘“
Die Wege des Herrn sind unerforschlich, steht in der Bibel geschrieben. Mit Sicherheit trifft dies auf Schwester Teresa zu. Denn nichts deutet bis zu ihrem 18. Lebensjahr darauf hin, dass aus ihr einmal eine Dienerin Gottes werden würde.
Schwester Teresa wird 1964 in Slavonski Brod in Kroatien als Dana Zukic geboren. Vater Rasim ist Fußballer, Mutter Wilma spielt Basketball und Handball, eine Sportfamilie. Rasim Zukic bekommt einen Vertrag in Deutschland. Dana ist sieben, als ihre Familie ins nordbadische Weinheim zieht. Die Kinder sind im Sportverein, Religion spielt in dem atheistischen Haushalt keine Rolle.
Rasch wird Danas Talent entdeckt. Das Mädchen trainiert jede freie Minute. Mit Erfolg. Sie wird erst hessische Meisterin am Schwebebalken, dann badische Meisterin im Mehrkampf. Sie wechselt auf ein Sportinternat. Ein Studium und eine Karriere als Trainerin hat sie fest im Blick.
Doch dann, kurz vor dem Abitur, passiert es. „Meine Freundin hatte ihr Zimmer umgeräumt und wollte ausmisten. Sie legte Bücher neben mein Bett, damit ich sie mir durchsehe, bevor sie wegkämen.“ Es ist schon Abend, am nächsten Tag hat sie ein Basketball-Spiel, sie denkt: „Mensch, ich muss schnell schlafen, morgen musst du fit sein.“ Gegen 2 Uhr wacht Dana auf und kann nicht mehr schlafen. Sie hört Queen, ihre Lieblingsband, was sie aber nicht müde macht. Schließlich greift sie nach dem erstbesten Buch von dem Stapel. Es ist die Bibel. Sie liest in der Bergpredigt: „Selig, die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott schauen.“
„Der zärtlichste Moment in meinem Leben“
Die Schülerin ist tief berührt und verschlingt die Worte. „Gott ist mir begegnet. Das war der zärtlichste Moment in meinem Leben. Ein Moment des Stillstands, eines Friedens.“ Bisher glaubte die Sportlerin an die Formel „wenn, dann“: „Wenn ich viel trainiere, dann werde ich Erfolge haben. Wenn ich fleißig lerne, dann schreibe ich gute Noten.“ In jener Nacht verändert sich ihr Denken. Nicht mehr wenn, dann, sondern weil: „Weil ich von Gott geliebt werde, darf ich leben. Das war so eine Befreiung.“
Der Teenager Dana Zukic lässt die Sportkarriere fahren. In der Osternacht 1984 wird Dana getauft, als 20-Jährige tritt sie in den Orden der Vinzentinerinnen in Fulda ein. Aus Dana Zukic wird Schwester Teresa. Sie engagiert sich in einem Kinderdorf, arbeitet neun Jahre lang in Senioren- und Behindertenheimen, im Krankenhaus und studiert nebenbei Religionspädagogik.
Schwester Teresa steht kurz vor der Profess, dem Ablegen der Ordensgelübde, als ihr Leben erneut einen Schnitt erfährt. An Weihnachten 1993 begegnet ihr auf der Straße ein 16-Jähriger auf Drogen. Sie nimmt den Jugendlichen mit zu sich und feiert mit ihm Heiligabend. Es wird spät, erst um 4 Uhr ist sie im Bett, und um fünf sollte sie schon wieder zur Messe aufstehen. Sie bleibt liegen und wird dafür getadelt. Da merkt Schwester Teresa, dass sie nicht als Klosterfrau geschaffen ist und nimmt Abschied.
Gemeinsam mit ihrem Beichtvater Franz Reus, Pfarrer im oberfränkischen Pegnitz, wendet sie sich an das Erzbistum Bamberg. „Ich weiß, es klingt verrückt“, spricht sie bei den Kirchenoberen vor, „aber ich glaube, Gott will, dass ich eine neue, moderne, kleine Kommunität gründe, die näher an den Menschen ist.“ Allzu viel Hoffnung bei ihrem Gesuch machen sich Pfarrer Franz, Schwester Teresa und die Mitschwester Claudia nicht. Doch der positive Bescheid des Erzbistums lautet: „Wenn Sie es wagen, dann wagen wir es auch.“ Die Kleine Kommunität der Geschwister Jesu ist geboren.
Schwester Teresa wird nicht Nonne, sondern Ordensfrau. Zwar verzichtet sie auf persönlichen Besitz und die Ehe, aber eben nicht in päpstlicher Klausur hinter Klostermauern mit streng geregeltem Tagesablauf. Sie gibt Zeitungsinterviews und wird ins Fernsehen eingeladen. Sie ist bei Arabella Kiesbauer, bei Markus Lanz und Wieland Backes zu Gast. In Jörg Pilawas Quizsendung gewinnt sie 100 000 Euro, mit dem Geld gründet sie eine Tafel für Bedürftige. Schwester Teresa nutzt die mediale Aufmerksamkeit: „Ich habe irgendwann gedacht: Du hast eine Botschaft für alle Menschen. Warum sie nicht auch auf diesem Wege bezeugen?“
Die bitterste Grenzerfahrung
2019 schwimmt Schwester Teresa auf einer Welle des Erfolgs. „Zu über 200 Veranstaltungen war ich als Rednerin eingeladen, unsere Kleine Kommunität feierte ihr 25-jähriges Bestehen, drei weitere Bücher durfte ich schreiben und komponierte gemeinsam mit den Stimmen der Berge eine CD, um 2020 gemeinsam damit auf Tournee zu gehen“, erzählt sie. Die Ordensschwester ist gefragt bei IT-Firmen, Sparkassen, Ärzten, Landfrauen, katholischen, evangelischen und freikirchlichen Gemeinden.
Plötzlich der emotionale Absturz und der Beginn der „bittersten Grenzerfahrung meines Lebens“, wie sie sagt. Die Krankenhäuser sind voll mit Covid-Patienten, wer nicht muss, macht lieber einen Bogen um Arztpraxen. Im September 2020 geht Teresa Zukic dennoch zum Hausarzt, „denn ich spürte ein Ziehen im Bauch“. Es folgen mehrere Untersuchungen bei Spezialisten. Im Krankenhaus empfindet sie emotionale Kälte, fühlt sich nur als eine „Nummer“, als Patientin allein gelassen mit ihren Ängsten.
An einem Tag im Oktober die niederschmetternde Diagnose: ein bösartiger, schnell wachsender Tumor in der Gebärmutter. „Es sieht nicht gut aus“, erklärt ihr eine Ärztin am Telefon. Die sonst so fröhliche Frau bricht zusammen. „Das ist mein Todesurteil“, denkt sie. Es beginnt ein langer, steiniger Weg. Ihr Optimismus ringt mit ihrer Verzweiflung. Dann sagt sie sich: „Moment mal, Gott hat das letzte Wort.“
Die Hoffnung schwindet nie, sie ist da etwa in Gestalt von Nachtschwester Claudia – „ein Engel“. Und da ist die Begegnung mit dem Berliner Onkologen Jalid Sehouli. Der Chefarzt an der Charité hat eine gute Nachricht: keine Metastasen. Die Operation ist erfolgreich, die anschließende Chemotherapie und die Bestrahlung sind ein Martyrium.
Auf dem Krankenlager stützt sich Schwester Teresa auf ihren Glauben. Und auf ihre Social-Media-Kanäle. Die Patientin erfreut sich an Kleinigkeiten, zum Beispiel an zwei Raben, die täglich zur Teezeit in ihrem Garten vorbeischauen. Sie tauft sie Valentin und Valentina. Jalid Sehouli und seine Patientin werden Freunde. Gemeinsam geben sie das Kochbuch „Den Himmel im Mund“ heraus.
Teresa Zukic teilt auf Facebook nicht nur diese glücklichen Momente, sondern auch das Leid. Sie zeigt sich ohne Scheu mit Glatze, spricht offen über körperliche Folgen, die mit der Krankheit einhergehen und vor der Toilette nicht haltmachen. „Ich hab manchmal zehn Minuten gebraucht, bis ich eine Stellung gefunden habe, dass ich wieder pinkeln konnte.“ Schwester Teresa rührt an Tabus. „Ich wollte, dass Menschen in einer ähnlichen Lage Mut fassen und nicht alles in sich reinfressen. Man schämt sich dafür, und das ist nicht richtig. Es kann jeden treffen.“
Zurück im Europa-Park. „Leben Sie, genießen Sie, und zwar jetzt!“, ruft Teresa Zukic ihrem Publikum zu. „Auch, wenn du krank bist, kannst du glücklich sein.“ Nach dem Vortrag verkauft und signiert die Referentin ihre Bücher. Schwester Teresas Weg ist unkonventionell, nicht jeder in der katholischen Kirche heißt ihn gut. „Aber ich bin einfach, wie ich bin, in der Kirche kennen sie mich ja inzwischen“, sagt sie.