Eine direkterer Online-Zugang der Bürger zum Amt soll für beide Seiten von Vorteil sein. Foto: dpa/Jens Büttner

Das Onlinezugangsgesetz sollte Ende 2022 umgesetzt sein. In Stuttgart wird dann aber erst ein Teil der Dienstleistungen zur Verfügung stehen.

Deutschland will digitaler werden, auch die öffentliche Verwaltung. Nach dem Onlinezugangsgesetz (OZG) sollen Bund, Länder und Kommunen bis Jahresende viele Verwaltungsdienstleistungen den Bürgerinnen und Bürgern auch online anbieten. Daraus wird in Stuttgart nichts. Bis jetzt hat man das gesteckte Ziel noch nicht einmal zur Hälfte erreicht.

Wer von der Stuttgarter Stadtverwaltung eine Personalstandsurkunde will, braucht nicht persönlich aufs Amt zu gehen. Schon seit 2001 kann man etwa eine Geburtsurkunde auch online bestellen und bezahlen. Seit dem Jahr 2012 funktioniert auf diesem Wege auch die Beantragung und Bezahlung eines Bewohnerparkausweises. Das sei „extrem komfortabel“ und werde „von sehr vielen“ Stuttgartern genutzt, sagt Hans-Henning Hall. Der Abteilungsleiter Kundenbetreuung im Amt für Digitalisierung, Organisation und IT hat ein weiteres Beispiel für schon digitalisierte Verwaltungsleistungen. Seit Jahresbeginn seien rund 1400 Baugenehmigungsverfahren online bearbeitet worden.

139 Verwaltungsleistungen auch online

Das zeigt: Die Digitalisierung der Stadtverwaltung ist im Gange, einige gute Anwendungen sind umgesetzt worden. Gemessen daran, was nach dem im Sommer 2017 beschlossenen Gesetz bis zum Ende des Jahres realisiert sein sollte, fällt das Ergebnis eher mager aus. Der Bund hat insgesamt 575 OZG-Leistungsbereiche ausgemacht, die digitalisiert werden sollen. Mit dem Land, auf dessen Service-Portal man aufsetzt, hat man sich in Stuttgart auf 350 bis 400 solcher Leistungen verständigt. Umgesetzt seien von diesen bisher 139, „bis zum Jahresende wollen wir auf mehr als 200 kommen“, sagt Hans-Henning Hall. Dass man damit das gesteckte Ziel verfehlt, ficht Hall nicht an. „Das wird keine Kommune in Deutschland schaffen“, sagt er. „Das ist gar nicht erreichbar.“ Der Experte für E-Government ist überzeugt, es werde eine Fortschreibung und Verlängerung der Umsetzungszeit für das OZG geben.

Zumal für eine Großstadt mit einer umfangreichen, komplexen Verwaltung wie Stuttgart die Umsetzung des Gesetzes schwieriger sei als für eine kleine Gemeinde. So gebe es „viele dezentrale Einheiten“ wie Bezirksämter, Standesämter und Bürgerbüros, was die Umsetzung schwieriger mache, betont Hall. Auch an diesem Feld der Verwaltungsarbeit geht der Personalmangel nicht vorbei. Angesichts der massiven Personalengpässe im Ordnungsamt und dessen Folgen könne man nicht von anderen Stellen „die Leute abziehen für digitale Prozesse“. Mit rund 190 Leistungsbereichen hat das Ordnungsamt an der Digitalisierung im Übrigen auch den größten Anteil.

Auch der Bund sollte nachbessern

Während man heute schon etwa die Bonuscard Kultur online bestellen kann oder eine Meldebescheinigung, geht das bei der Ausweisverlängerung, die vor den Ferien von so vielen Menschen nachgefragt wird, noch nicht. Dies liege „in der Hoheit des Bundes“, stellt Hans-Henning Hall klar. Dagegen könne eine Privatperson heute schon sein Auto in der Zulassungsstelle online anmelden, was aber „ein längerer Prozess“ sei.

Aber nicht nur die Stadt ist in der Sache hinterher, auch der Bund müsse nacharbeiten. Deutschland liege international bei der Digitalisierung „im hinteren Drittel“ und müsse insbesondere gegenüber den nordischen Ländern „aufholen“, sagt der IT-Fachmann. Am Vorgehen beim OZG stört ihn, dass es keine bundeseinheitliche Plattform gibt. „Jedes Land wurstelt vor sich hin“, kritisiert Hall. Eine einheitliche Lösung wäre auch besser im Sinne der Bürger, findet er, mit einem einheitlichen Nutzerkonto. Aber außer ersten Ansätze stehe man hier „erst ganz am Anfang“, sagt der Abteilungsleiter.