Vielen Werbekunden ist Twitter/X inzwischen zu unseriös. Aber Politiker und Firmen tummeln sich weiter dort. Warum nur, fragt sich Hannes Breustedt.
Elon Musk vergrault laut Bitkom-Umfrage viele Twitter-Nutzer – gut so. Die mittlerweile in X umbenannte Plattform war immer schon ein Sammelbecken für Desinformation, Manipulation, Hass und Hetze. Seit der Übernahme durch den exzentrischen Multimilliardär hat sich das noch verstärkt. Viele Werbekunden haben Twitter den Rücken gekehrt, doch Firmen und Institutionen nutzen den Social-Media-Dienst weiter intensiv als Kommunikationskanal. Warum eigentlich?
Die Plattform erscheint wichtiger als sie ist
PR-Abteilungen schätzen Twitter als direkten Draht zur Öffentlichkeit – statt per Pressemitteilung werden Botschaften einfach per Tweet verbreitet. Die Plattform ist traditionell bei Medienmenschen, Politikern und anderen Entscheidungsträgern beliebt. Dadurch erscheint sie oft wichtiger, als sie wirklich ist.
Musk hat den Social-Media-Dienst nach eigenen Angaben gekauft, um Meinungsfreiheit und Demokratie zu stärken. Wenn das stimmt, hat er sich einen Bärendienst erwiesen – unter seiner erratischen Herrschaft entwickelt sich sein Spielzeug zu einer Troll-Plattform, wo unter dem Deckmantel der Redefreiheit noch unkontrollierter gepöbelt und gehetzt wird. Trotzdem glauben Unternehmen und Regierungen weiterhin, dies sei der richtige Ort für Öffentlichkeitsarbeit.
Das ist umso bemerkenswerter, als die Bedeutung von Twitter ohnehin seit jeher überschätzt und übertrieben wird. Nur ein Bruchteil der Menschen weltweit nutzt den Kurznachrichtendienst. Auch wenn es in bestimmten Filterblasen und Echokammern anders erscheinen mag – Twitter ist kein essenzieller Teil öffentlicher digitaler Infrastruktur, ohne den das tägliche Leben im Internet nicht funktionieren würde.