Klicken Sie sich durch unsere spektakuläre Bilderstrecke. Foto: AP

Skicross hat mit dem olympischen Ideal nichts mehr gemein. Regeln gibt es bei diesem Sport nicht.  

Vancouver - Sie jagen Schulter an Schulter die Piste hinunter, brettern über Sprungschanzen, und nicht wenige stürzen - bestenfalls in Fangzäune. Skicross ist spektakulär - vor allem, wenn eine Einheimische wie Ashleigh McIvor gewinnt. Doch nicht jeden begeistert die Trendsportart.

Mit dem Wort "sensationell" sollte man vorsichtig umgehen. Doch das, was die Skicrosser bei ihrer Olympia-Premiere am Cypress Mountain bieten, ist einfach sensationell. Waghalsige Überholmanöver, verrückte Sprünge, spektakuläre Stürze. Nicht nur die Zuschauer vor Ort, sondern auch die vorm Fernsehschirm sind begeistert von der heißesten Nummer, die Olympia je gesehen hat.

Skicross ist ein Spektakel - um des Spektakels willen. Rasen, rempeln, Rowdytum - alles ist erlaubt. Der jugendliche Trendsport ist ideal für die Fernsehsender - das Frauenrennen verfolgten in Deutschland zu nachtschlafender Zeit 6,05 Millionen Zuschauer, und die deutsche Teilnehmerin Julia Manhard jubelte: "Nur Magdalena Neuner und die Biathleten haben uns getoppt." Auch Werbeagenturen und Olympia-Sponsoren, denen Action und Abenteuer lieb und teuer sind, teilen die Begeisterung.

Zu dieser Sorte gehört der Kolumnist der Tageszeitung "Vancouver Sun" bestimmt nicht. "Skier! Helmkamera! Olympischer Sport?", titelte das Blatt nach dem Männer-Rennen, "sorry, aber das ganze Ding sieht aus wie eine Verfolgungsjagd in einem James-Bond-Film." Und überhaupt, krittelt der Journalist weiter, wo bleibt das Fair Play, der Grundgedanke der olympischen Bewegung?

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) gefällt sich in der Rolle des Bewahrers althergebrachter Ideale. Fairness, Sportsgeist, und überhaupt: Sind wir nicht alle eine große und harmonische Familie? Die muss es auch aushalten, dass sich sportliche Rivalen schon mal mit Absicht von der Piste schießen. Der ein oder andere kommt bei der halsbrecherischen Fahrt durch Steilwandkurven und Sprüngen über 16 Hügel und Schanzen nicht heil ans Ziel. Akkia und Rettungshubschrauber jedenfalls sind immer in Bereitschaft.

Ist das Internationale Olympische Komitee (IOC) mit seinem Versuch, die Spiele zu verjüngen und mehr Jugendliche anzusprechen, übers Ziel hinausgeschossen?

Beim Sieg der Kanadierin Asleigh McIvor hatte es am Dienstagabend heftige Stürze und knallharte Duelle gegeben. Am schlimmsten erwischte es Julia Liwinskaja im Achtelfinale. Die Russin musste zehn Minuten lang behandelt und mit einem Rettungsschlitten in den Zielbereich gebracht werden. "Das ist sehr öffentlichkeitswirksam, unterhaltsam und sicher eine Bereicherung für Olympia", sagte der deutsche Alpindirektor Wolfgang Maier, "aber ich persönlich habe ein kleines Problem mit der Fairness. Da muss man sich noch etwas einfallen lassen." Dem hält der deutsche Olympia-Teilnehmer Martin Fiala (42) entgegen: "Das Risiko beim Skicross ist nicht so hoch wie beim Abfahrtslauf, denn die Geschwindigkeit ist um einiges geringer."

Der Richtungsstreit geht weiter. In den nächsten Tagen gehen erst die Freestyle-Artisten, dann die Snowboarder auf Medaillenjagd. Den Anhängern gefällt's, und alle anderen müssen da durch - irgendwie.


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