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Der Skispringer Simon Ammann ist nun ein Teil der Sportgeschichte. Er nimmt es gelassen

Whistler - Vor acht Jahren nannten sie ihn Harry Potter. Nun hat Simon Ammann wieder Magisches vollbracht. Doch sein Beiname ist mittlerweile ein anderer. Er ist jetzt schlicht und ergreifend der Größte.

Wir wissen wirklich nicht, was an Ostern oder an Weihnachten in Whistler Village so los ist. Wir sind uns jedoch sicher: Solch eine Prozession hat dieses Bergdorf in Kanada noch nicht erlebt.

Es war am Samstagabend, als sich die Karawane in Bewegung setzte. Vorne draus liefen kräftige Männer mit riesigen Kuhglocken, an den Straßenrändern standen Hunderte Menschen, am Zielort standen zwei Alphornbläser auf dem Vordach, und im Zentrum dieses ganzen Aufmarsches wurde ein schmächtiger junger Mann auf zwei Skiern durch den Ort getragen. Es war nicht der Papst. Es war Simon Ammann.

Vor acht Jahren bei den Spielen von Salt Lake City hat der Schweizer zweimal Gold gewonnen. Und nun hat er es im Whistler Olympic Park geschafft, dieses Kunststück zu wiederholen - und Geschichte zu schreiben. Mit viermal Einzelgold ist der 28-Jährige der erfolgreichste Skispringer aller Zeiten. Noch vor Matti Nykänen (der Finne holte dreimal Gold als Solist und einmal mit dem Team). Das ist Fakt. Nur einer will davon nicht so viel wissen: Simon Ammann.

Herr Ammann, Sie wissen schon, dass Sie jetzt der größte Skispringer der Olympiageschichte sind?

Ach, ich muss das alles erst einmal verarbeiten. Ich finde es einfach schön, dass ich das alles erleben darf.

Vier Olympiasiege sind aber schon gewaltig.

Trotzdem muss man die Kirche im Dorf lassen und mit beiden Beinen auf dem Boden bleiben. An diesem Erfolg haben so viele Leute mitgeholfen, dass es eigentlich gar nicht so schwierig war. Ich war nur die Exekutive.

 


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Tatsächlich schienen diese vier grandiosen Sprünge in Whistler für Simon Ammann wie von selbst zu laufen. Und auch die Konkurrenz kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. "Wenn andere so abspringen würden wie er", sagte zum Beispiel der Deutsche Michael Neumayer, "müssten sie den Sprung kurz nach dem Schanzentisch abbrechen, weil es viel zu aggressiv wäre. Aber er macht das mit einer unglaublichen Selbstverständlichkeit."

Und nicht einmal die von den Österreichern initiierte Diskussion um seine neue - am Ende doch regelkonforme - Bindung hat ihn aus dem Tritt gebracht.

Herr Ammann, die Österreicher haben beklagt, Ihre Bindung würde Ihnen Vorteile bringen. Hat Sie das gar nicht beschäftigt?

Diese ganze Woche seit dem ersten Springen ist eigentlich ohne viel Nachdenken verflogen. Ich darf es ja kaum sagen, aber wir waren letzten Montag sogar Ski fahren - und sind geheizt wie die Henker. Ich habe einfach einen emotionalen Drive bekommen.

Aber die Sache mit der Bindung.

Ach, ich nehme das nicht persönlich. Ich habe mich nur gewundert, wie viel Lärm das ausgelöst hat. Solche Sprünge, wie ich sie gezeigt habe, kommen vor allem vom Selbstvertrauen - nicht von einer Bindung.

Und das Selbstvertrauen des Schweizers ist immens. "Er ist ja schon als Weltcup-Führender hierhergekommen", sagt Werner Schuster, der deutsche Trainer, der Ammann bis vor zwei Jahren betreut hatte, "der Sieg auf der Normalschanze hat ihm dann zusätzlich Kraft gegeben."

Dieser Sieg und der Teamgeist in der Schweizer Mannschaft. Vor dem Springen am Samstag hat Ammann den bislang enttäuschenden Alpin-Star Didier Cuche überredet, wieder an die Schanze zu kommen. Cuche kam, Ammann siegte mit Sprüngen auf 144 und 138 Meter so souverän wie nie - und zelebrierte die anschließenden Momente mit seinem neuen Lieblingsstück. Einer Sonnebrille im 70er-Jahre-Style.

Herr Ammann, Sie wollten diese Brille diesmal doch auch auf der Medal Plaza aufsetzen.

Ja, aber sie haben es mir wieder nicht erlaubt. Und ich wollte es nicht darauf ankommen lassen.

Wie haben Sie diese Olympischen Spiele denn erlebt?

Für mich ist es irgendwie so, als wäre das gar nicht ich selbst, als schaue ich da jemand anderem zu. Aber wenn ich mir das in ein paar Jahren mal im Fernsehen anschaue, denke ich sicher: Dieser Typ hat das gar nicht schlecht gemacht.

Stehen Sie nun auf einer Stufe mit dem Schweizer Tennisstar Roger Federer?

Zunächst einmal finde ich es toll, dass die Schweiz solche Sportler hat. Roger allerdings ist viel konstanter als ich. Ich bin mehr der Typ für den Moment.

Die ersten dieser Momente erlebte Simon Ammann 2002, 2007 wurde er Weltmeister, nun hat er noch einen draufgesetzt. Und noch einen. Er ist jetzt nicht mehr Harry Potter. Er ist der Größte.


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