Lindsey Vonn beim Abfahrtstraining. Foto: AP

Die US-Rennläuferin will olympisches Gold – und einen millionenschweren Werbevertrag.

Whistler - Es hat einige Zeit gedauert, bis der erste alpine Ski-Wettbewerb der Frauen bei den Spielen in Vancouver und Whistler gestartet werden kann. Zeit, die Lindsey Vonn, die große Favoritin auf den Sieg, dringend gebraucht hat.

Sollten Sie sich einmal gefragt haben, woran Sie erkennen können, dass Sie es zu einem Star gebracht haben, dann haben wir heute für Sie einen sehr guten Anhaltspunkt. Sollte nach Ihrem nächsten Arztbesuch der Orthopäde Ihres Vertrauens eine Pressekonferenz geben - dann können Sie sicher sein, dass Sie es geschafft haben. Vergangene Woche gab es in Whistler ein solches Treffen.

Es war Nachmittag im olympischen Pressezentrum, als Bill Sterret das Podium betrat. Er machte ein ernstes Gesicht, lächelte dann und erklärte: "Sie hat gesagt, dass es heute 62,5 Prozent besser geht als gestern." Sie - damit meinte er Lindsey Vonn (25).

Die Lady aus Minnesota in den USA ist also definitiv das, was man einen Star nennen würde. Zumindest in Europa, wo die Skirennläuferin nicht nur den Großteil ihrer sportlichen Erfolge einfährt, sondern auch 60 Prozent ihrer Werbeeinnahmen generiert - und auch die meiste Zeit des Jahres lebt.


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Vonn hält sich bevorzugt in Österreich auf, das musste man wissen, um Bill Sterret weiter folgen zu können. Denn der US-Teamarzt berichtete ein wenig verwirrt von den Methoden, die Vonn bislang angewendet hatte, um ihre schmerzhafte Schienbeinverletzung zu behandeln. Er murmelte etwas, das sich wie Topfen anhörte - und schaute dann fragend zu einer deutschen Journalistin. "Topfen - is this right?" Ja, ganz recht: Es war Topfen, also Quark, den sich Vonn aufs lädierte Schienbein packte, um die Schwellung, die aus einem schlimmen Trainingssturz am 2. Februar resultierte, zum Abklingen zu bringen. Und es half - doch Vonn drohte die Zeit davonzulaufen. Auf die Frage, ob sie ihre Teilnahme an der Kombination am Sonntag denn absagen müsse, antwortete sie jedenfalls: "Das kann passieren." Dann kam der Regen.

Und der sorgte dafür, dass die Kombination verschoben wurde und die  Abfahrt also das erste olympische Rennen sein wird. "Für mein Bein war es das bestmögliche Szenario", sagt Vonn. Schließlich wird einiges von ihr erwartet. Seit im Vorfeld der Olympischen Spiele auch dem letzten Sportfan der USA klargemacht worden war, dass Vonn gleich in fünf Rennen Chancen auf Gold hat, sind die Erwartungen nicht gerade gesunken. Vonn spürt den Druck - nicht nur, wenn sie den Skistiefel anzieht. Und sie klagt: "Sie wollen mich phelpsen."

Was bedeutet, dass die US-Bürger wohl denken: Wenn der Schwimmer Michael Phelps in Peking acht Goldmedaillen gewinnen kann, dann sollten für Vonn doch auch fünf in Whistler möglich sein.

Doch so einfach ist das nicht. Schon gar nicht mit der aktuellen Vorgeschichte. "Meine Perspektive", sagt Vonn, "hat sich völlig verändert." Das Ziel aber bleibt: mindestens eine Goldmedaille. Damit sich die Mühen endlich so richtig lohnen. "Ich habe mich angestrengt in den vergangenen Jahren, damit sich ein paar Leute mehr für uns interessieren", sagt sie und untertreibt gewaltig. Denn im Prinzip hat sie sich schon ihr ganzes Leben lang angestrengt.

Mit sechs Jahren bestritt sie ihr erstes Rennen, doch als sie den Hang herunterkam, drehte sich Trainer Erich Sailer zu Lindseys Vater Alan Kildow um, schüttelte den Kopf und meinte: "Armer Alan, du hast da eine Schildkröte." Doch Alan war der Meinung, dass seine Schildkröte auch schnell sein könnte wie ein Leopard. Also ließ er sie weiter trainieren, zog fünf Jahre später mit der gesamten Familie nach Vail - und übertrieb es irgendwann. Dann wollte Lindsey nicht mehr, wie Alan wollte - heute haben die beiden seit vier Jahren nicht mehr miteinander gesprochen. Lindsey hat nun andere Vertraute. Ihren Mann Thomas Vonn, einst selbst Rennläufer, der nicht nur Gatte, sondern auch wichtigster Berater ist. Zudem hat ihr österreichischer Sponsor ihr ein ganzes Team von Experten zur Seite gestellt, das sie sommers wie winters in Form bringt und ihr sämtliche organisatorische Aufgaben abnimmt.

Zu zwei WM-Titeln und zweimal dem Gewinn des Gesamtweltcups hat es dieses kleine Unternehmen nun schon gebracht. Aber, wie gesagt: Zum Superstar wird sie in der Heimat erst mit einer olympischen Goldmedaille. Und erst dann kann sie träumen vom Vertrag mit einem Cornflakes-Hersteller, der nur die ganz Großen auf seinen Packungen abbildet. "Ich hoffe, dass ich eines Tages meine Frühstücksflocken esse", sagt Vonn, "und mir selbst in die Augen schaue."

Ach ja: Sollte Ihnen das mal passieren, dann können Sie sicher sein - dann sind Sie ein Star.